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man denke an Maler, Musiker, Techniker —, um so mehr muß die
Erziehung dieser Begabung (also einseitig) Rechnung tragen. Aber
für den Menschen als ganzen bleibt darüber hinaus doch noch die
Frage zu entscheiden, wo der Quellpunkt seiner Fähigkeiten und
Seelenkräfte vornehmlich liege. Wir antworten: im Eingebungs-
bewußtsein.
Es läge nahe, zuerst an die höchsten Stufen, das übersinnliche
Bewußtsein und Gezweiungsbewußtsein, zu denken. Aber hier lei-
det die Erziehung unter dem Mangel an Bestimmtheit und Beson-
derheit (Konkretion) der Erlebnisse. Trotz der Vor- / geordnetheit
des übersinnlichen und des Gezweiungsbewußtseins finden wir da-
her erst in der Eingebung die ergiebigsten Quellen. Denn die Er-
z i e h u n g d e s E i n g e b u n g s b e w u ß t s e i n s , d i e d u r c h
S a m m l u n g u n d V e r s e n k u n g g e s c h i e h t , e r ö f f n e t
d i e Q u e l l e f ü r a l l e s d e n k e r i s c h e u n d k ü n s t l e -
r i s c h e L e b e n , damit aber auch für das handelnde Leben, dem
sie die Voraussetzungen bietet, und ferner auch für das sinnliche
Leben, dem sie eine höhere Sinnlichkeit, nämlich eine höhere, eine
geistige Anschauung voranstellt. Rückwirkend macht sich diese Er-
weckung auch im Gezweiungsbewußtsein und im Bewußtsein des
Übersinnlichen geltend, da die echte Eingebung stets metaphysischen
Glanz an sich hat und auch auf ein Miterleben, also auf Gezweiung,
hinweist. Wahrheit und Schönheit sind metaphysische Erscheinun-
gen und haben Gezweiung am Grunde.
Im Mittelpunkte jeder Erziehung muß (nach der subjektiven
Seite hin) die Erziehung zur Sammlung stehen
1
.
Mit dem Begriffe der Sammlung ist auch die Brücke zur Berück-
sichtigung der Umgliederungsordnung gegeben.
Das allgemeine Gesetz ist hier die E r w e c k u n g d e r S e h n -
s u c h t . Sie allein bringt Bewegung, Selbstvertrauen, S t ä r k u n g
d e r U m g l i e d e r u n g s k r a f t (während die heutige Erzie-
hung dämpfend, ja mißgünstig wirkt). Diese Stärkung wird zu-
nächst durch n i c h t v o l l s t ä n d i g e E r f ü l l u n g erreicht:
nicht völlig sattessen, nicht völlig ausschlafen, nicht völlig ausru-
hen; und in keinem Ziele, wenn es erreicht ist, ein vollkommenes
1
Uber die objektive Seite, wonach jede Erziehung Gemeinschaftserziehung
sein muß, siehe unten S. 279.