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Z w e i t e r T e i l

Begabungslehre

Die Grundgestalten des Geistes, nach der Ausgliederungs- und

Umgliederungsordnung bestimmt

Die „Erfahrungsseelenlehre“ ist in Wahrheit niemals an die gro-

ßen entscheidenden Erfahrungen des inneren Lebens herangekom-

men. Sobald diese auftreten, behauptet sie, diese Erscheinungen

seien zu „komplex“ und könnten bei dem jetzigen Stande der Wis-

senschaft noch nicht erklärt werden. Daher entstanden abseits dieser

Scheinwissenschaft, so namentlich von der Schriftendeutung her,

Versuche zu einer sogenannten „Charakterologie“, die aber, ähn-

lich wie die schönen Versuche von Emerson

1

, Carlyle

2

und Spran-

ger

3

, die Unterbauung durch eine Geisteslehre vermissen lassen.

Der Grund liegt darin, daß alle diese Richtungen der Begriffsmit-

tel entbehren, welche zum Aufbau einer Begabungslehre und Grund-

gestaltenlehre des inneren Menschen befähigt hätten. Anders wenn

der Geist in seinem G e f ü g e durch die Ausgliederungsordnung

und in seinem L e b e n durch die Umgliederungsordnung erfaßt

wird. Dann fehlt es nicht mehr an den Begriffsmitteln, welche die

Grundgestalten des Gefüges und die Grundgestalten der Entfaltung

zu entwerfen ermöglichen.

/

Im Zusammenhange dieses Buches ist es allerdings nicht am Orte,

eine solche Grundgestaltenlehre auszuführen. Denn diese Aufgabe

zeigt sich als eine sehr umfassende. Zum Unterschiede von den bis-

herigen Versuchen, einige „Lebensformen“ oder „Charaktere“ dar-

zustellen, dächten wir uns die Aufgabe anders gestellt, nämlich als

1

Ralph Waldo Emerson: Vertreter der Menschheit (Uses of Great Men),

deutsch bei Reclam, Gesamtausgabe, deutsch, 6 Bde, Leipzig 1905.

2

Thomas Carlyle: Helden und Heldenverehrung, deutsch bei Reclam.

3

Eduard Spranger: Lebensformen, 3. Aufl., Halle 1922.