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Wenn die apriorischen Formen der Stufen aber ein ontologisches Gepräge
haben, so folgt weiter: daß sie n i c h t m e h r l e e r e „ F o r m e n “ s i n d ,
i n d i e e i n „ I n h a l t “ n a c h t r ä g l i c h e i n g e h e ; sondern vielmehr
die „Inhalte“ grundsätzlich auf die Formen abgestimmt seien. Das Lieben und
das Geliebte, das Denken und das Gedachte, das Gestalten und das Gestaltete,
das Wollen und das Gewollte, sogar das sinnliche Empfinden und das Empfundene
m ü s s e n i n g r u n d s ä t z l i c h e n , w e n n a u c h v e r m i t t e l t e n u n d
u n v o l l k o m m e n e n E n t s p r e c h u n g e n s t e h e n .
Wie die „apriorischen Formen“ der Bewußtseinsstufen der Ausgliederungs-
ordnung im einzelnen aussehen, das zu bestimmen kann nicht mehr Aufgabe
unserer Untersuchungen sein, die sich im Grundsätzlichen halten müssen. Nur
über das Verfahren der Bestimmung muß noch gesprochen werden.
Unser Verfahren kann nicht das Kantische sein, welches bekanntlich die Ver-
standeskategorien mit Hilfe der Einteilungen der Logik ableiten wollte. Es kann
auch nicht das Fichtische sein, welches nach der Gegensatzlehre, „dialektisch“,
vorging. Es muß das ganzheitliche sein, welches Gliederungen analytisch aufsucht.
Dazu kommt noch ein anderer entscheidender Punkt. Da die ganzheitliche
Kategorienlehre grundsätzlich ontologisch ist, gibt es nach ihr keine rein formalen
Kategorien, welche, wie wir oben bemerkten, mit einem beliebigen Inhalte erfüllt
werden könnten. Es steht nicht so, daß zuerst leere Formen bereit lägen und
nachträglich Inhalt hineinkäme. Das, was zuletzt vor den Stufen oder Vermögen
steht, begründet sowohl das Inhaltliche wie das Formale. Das Formale der Kate-
gorien der Stufen ist nur verhältnismäßig formal, denn ihnen e n t s p r i c h t
das zu Glaubende, zu Liebende, zu Denkende, zu Gestaltende und zu Bewirkende;
endlich auch — hier aber allerdings erst durch Vermittlung der Natur hindurch,
daher nur als Entsprechung ferner Ordnung zu fassen — das sinnlich zu Emp-
findende. Denn auch die Leiblichkeit des Menschen ist keine schlechthin irratio-
nale „Gegebenheit“, sondern beruht auf einer Entsprechung fernerer Ordnung
zwischen Leib und Geist.
Das Vorgeordnete des Geistes, das Vorbewußte, ist sein inneres Jenseits, das
Übersubjektive.
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III. Die Rückverbundenheit
A.
Die S i n n e s e m p f i n d u n g a l s A n z e i g e r d e r
R ü c k v e r b u n d e n h e i t d e s M e n s c h e n m i t
d e m N a t u r g e i s t e
1
1. Die äußere Sinnesempfindung
Seelenlehre und Physik von heute unterstützen einander in der
mechanistischen Auffassung der Sinnesempfindung. Die Physik
behauptet eine tote Natur, die sensualistische Seelenlehre eine rein
äußerliche Bedingtheit der Sinnesempfmdung durch Reize und
Empfangsorgane. Bei einer solchen Auffassung der Dinge kann frei-