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getrennte Dinge wie beim Tasten. Das ist wohl unleugbar unsere
Erfahrung — das heißt jedoch, die Sinnesempfindung lediglich als
eine Art des W i s s e n s auffassen, nämlich als sinnliche Wahr-
nehmung, die durch die höhere Geistestätigkeit schon eine be-
stimmte Fassung (die gegenständliche) erhielt. Es g i l t a b e r ,
z u r U r t a t s a c h e d e r E m p f i n d u n g z u r ü c k z u f i n -
d e n . Wissen ist allerdings Vergegenständlichung, und Gegenstand
ist das von uns Getrennte, Andere. Aber darum handelt es sich in
der Empfindung u r s p r ü n g l i c h e r w e i s e nicht! Man ver-
setze sich einmal in die Lage annähernd reiner Empfindung, z. B.
wenn wir unverhofft einen elektrischen Schlag verspüren; und man
vergegenwärtige sich: das innere A n g e s c h l o s s e n s e i n a n
d a s E m p f u n d e n e , d a s U n m i t t e l b a r e , also Ungegen-
ständliche eines solchen Empfindens. Diese Ungegenständlichkeit,
Unmittelbarkeit, Verschmolzenheit mit dem Empfundenen ist das
Entscheidende; sie ist der U r k e r n j e d e r E m p f i n d u n g .
Der elektrische Schlag, oder ebenso etwa „süß auf der Zunge“, das
sind Beispiele, die uns mit einem Erlebten, / einer bestimmten
Beschaffenheit (Qualität) innerlich verbunden zeigen. Diese Inner-
lichkeit, Unmittelbarkeit, Verbundenheit, Angeschlossenheit, Ver-
schmolzenheit ist durchaus unräumlich (hat sozusagen nur Inten-
sität, Tiefe), zeigt uns also keinen „entfernten“, „getrennten“ Ge-
genstand. Die V e r g e g e n s t ä n d l i c h u n g g e h ö r t d e r
E m p f i n d u n g n i c h t u r s p r ü n g l i c h a n ; s o n d e r n
e r s t e i n e r h ö h e r e n G e i s t e s t ä t i g k e i t , d e m W i s -
s e n .
Unsere Behauptung wird nun weniger befremdlich und schon
verständlich sein. Die Vergegenständlichung verhilft uns zu einer
Wahrheit („dort steht ein grüner Baum“), aber sie darf uns nicht
verleiten, die empfundenen Naturqualitäten („grün“ und so fort) in
ihrer Unmittelbarkeit, Ungegenständlichkeit zu verlieren; wir müs-
sen sie vielmehr als Inneres, Geistähnliches der Natur festhalten.
Daß uns unsere Sinnesorgane keine Schwingungen, stofflichen
Äußerlichkeiten zeigen, sondern Wesensbeschaffenheiten, Qualitäten
der Naturvorgänge, heißt, anders gesagt, nichts Geringeres als daß
sie uns die immateriellen Wurzeln der Natur innewerden lassen.
Was früher über das Wesen der Sinnesempfindung gesagt wurde,
daß nämlich die äußeren Naturvorgänge ebensowenig wie die Vor-