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C.
Die R ü c k v e r b u n d e n h e i t m i t d e m E i n -
g e b u n g s g r u n d e d e s G e i s t e s o d e r d e r I d e e n w e l t
Jede Seele eines Menschen hat ihrer
Natur nach das Seiende geschaut.
(Platon: Phaidros, 249e)
1.
Allgemeine Wesenserklärung
Als Grundlage unseres Wissens und Gestaltens erwies sich die Ein-
gebung, während die Sinnlichkeit, obzwar unentbehrlich, / nur die
Anregung und Vermittlung der Eingebung und zugleich Werkzeug
ihrer Darstellung als Gewußtes und Gestaltetes ist.
Die Frage, die sich aus dem Begriffe der Rückverbundenheit nun-
mehr ergibt, geht auf das Wesen der Eingebung. Soviel ist nach
allem Früheren offenkundig und braucht nicht mehr eigens be-
gründet zu werden: daß die Eingebung k e i n e s f a l l s a u s
d e m G e i s t e d e s e i n z e l n e n M e n s c h e n begriffen wer-
den könne. Das, was in uns als Eingebung aufbricht, müssen wir
einer übereinzelnen geistigen Welt zusprechen, denn dieselbe Ein-
gebung tritt in vielen auf, sie wird, wenn im Gedanken und Kunst-
werk dargestellt, in vielen geweckt, sie gehört also Vielen zugleich
an. Nur die Verarbeitung in Wissen und Kunst gehört dem einzel-
nen Geiste selbst an, die Eingebung aber einem Über-Dir, einem
Objektiven. (Die Eingebung „kommt ihm“, aber die Verarbeitung
muß er selbst vollziehen.) Dieser große Hintergrund des einzelnen
Geistes, diese übereinzelne geistige Welt, die in der Eingebung zur
Erscheinung kommt, wird seit Platon Ideenwelt genannt. Wir ken-
nen sie als das sich Ausgliedernde der Ganzheit oder die Ganzheit
in ihrem Vorsein. Die Eingebung ist nicht selbst die Idee, aber die
Idee ist die Grundlage der Eingebung. In der Eingebung, die schon
sinnlich mitbestimmt ist, kommt die Idee an den Geist heran. Ganz-
heitlich gesehen tritt dabei an die Stelle des einfachen Gegensatzes:
Idee — Begriff die Reihe: I d e e — E i n g e b u n g — B e g r i f f .
Der Begriff ist erst die Fassung und Verarbeitung der Eingebung.
Wird die Tatsache der Eingebung überhaupt anerkannt, und sie
muß anerkannt werden, dann sind Wissen und Kunst Zeugen der
Rückverbundenheit des Menschen im Vorsein der sich ausgliedern-
den Ganzheiten, in der Ideenwelt. Die Rückverbundenheit läßt uns