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kommt. Der Weise, der Künstler, der Sittenlehrer, der Mensch höhe-

rer Taten, sie alle fühlen sich in ihrer geistigen Grundlage mit einer

höheren Welt rückverbunden. Das Schöpferische dieser Menschen,

das Traumwandlerische, überzeitlich Gültige ihrer Werke sind un-

verbrüchliche Zeugnisse höheren Ursprunges ihrer Eingebungen.

Das war auch jedem echten Schöpfergeiste bewußt. Goethe sagte zu

Eckermann (11. März 1828): „Jede Produktivität höchster Art,

jedes bedeutende Aperçu, jede Erfindung, jeder große Gedanke,

der Früchte bringt und Folge hat, steht in niemandes Gewalt und

ist über aller irdischen Macht erhaben. — Dergleichen hat der

Mensch als unverhoffte Geschenke von oben, als reine Kinder Gottes

zu betrachten.“

Nur die überweltliche Weihe ihres Denkens und Tuns ist es

auch, welche den schöpferischen Menschen Anspruch auf die Führer-

stellung in Gesellschaft und Geschichte gibt. Platons „Staat“, in wel-

chem die Weisen kraft ihrer Ideenschau herrschen, und gleicher-

weise jede tiefer dringende Staatslehre, haben das von jeher aner-

kannt.

2. Idee und Wirklichkeit

Die Frage, was die Welt sich ausgliedernder Ganzheiten als

Grundlage der Eingebung, die Ideenwelt, sei, gehört nicht mehr der

Geisteslehre an, sondern der höchsten Metaphysik. Die Geisteslehre

zeigt nur die Rückverbundenheit des Geistes in der Ideenwelt als

einer übersinnlichen geistigen Ebene und dadurch die Stellung des

Menschen in der Welt. Die Geisteslehre kann dabei auch sagen, in-

wieweit die Eingebung in ihrer Darstellung / im menschlichen

Geiste an die Sinnlichkeit gebunden sei. Damit klärt sie das Ver-

hältnis der Idee zur Wirklichkeit.

Diese Bindung ist nun von der Art, daß sich die Idee ohne alle

Bezugnahme auf die Sinnlichkeit, sei diese Bezugnahme auch nur

vermittelt, nicht darstellen kann. Der Kern jedes Begriffes und des

Kunstwerkes ist zwar unsinnlich (z. B. das Heldische Siegfrieds als

Begriff wie als Kunstgestalt gedacht — denn Aufopferung für das

Gute, Tragik sind unsinnliche Wirklichkeiten); aber der Begriff und

noch mehr das Kunstwerk sind in der Ausarbeitung überall mit den

Mitteln der Sinnlichkeit durchsetzt (z. B. indem Aufopferung und

Tragik in Siegfrieds Drachentötung und Hagens Mord zur Erschei-