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IV. Persönlichkeit und Überpersönlichkeit
Der Grund der Persönlichkeitsbildung, das Principium indivi-
duationis, wurde in der antiken Philosophie wesentlich in der
Materie gesehen. Ähnlich auch von Schelling, dann von Schopen-
hauer.
Diese Auffassung kann aber nicht genügen. Persönlichkeit ist ein
Mysterium, das tiefere Wurzeln hat als die Stofflichkeit. Sie ist im
Wesen des Geistes selbst begründet.
Im Begriffe der Persönlichkeit unterscheiden wir vom ganzheit-
lichen Standpunkte aus zwei Hauptbestandteile:
1.
Einzigartigkeit, Besonderheit oder Individualität;
2.
Ichheit oder Selbstheit, das ist Persönlichkeit im engeren Sinne.
Die erstere entsteht, wie sich zeigen soll, durch die Ausgliederung,
die letztere durch Rückverbundenheit
1
.
/
A. E i n z i g a r t i g k e i t o d e r I n d i v i d u a l i t ä t
1.
Ausgliederung gegen bloße Besonderung eines Allgemeinen
Die „Aufspaltung“ des Allgemeinen in das Besondere (worunter
nur die besonderen Beschaffenheiten des Allgemeinen zu verstehen
sind) und in das Einzelwesen, Einzelne (worunter die besonderen
Einzelwesen zu verstehen sind, welche also das Allgemeine und
das Besondere in sich haben, z. B. ein bestimmter Baum oder Kri-
stall die gattungsmäßige Beschaffenheit und die Einmaligkeit in der
bestimmten Gestalt eines Einzelwesens) ersetzen wir durch den
Begriff der Ausgliederung. Dabei brauchen wir nicht, wie die
Aristoteliker, die M a t e r i e als Grund der Besonderung, als
Principium individuationis, sondern dieses ergibt sich aus dem
Begriffe der A u s g l i e d e r u n g notwendig. Denn das höhere
Ganze ist zugleich das Allgemeine gegenüber seinen niederen Ganz-
heiten oder Gliedern, welche Besonderheit an sich haben. Ohne den
1
Die in meiner Kategorienlehre, Jena 1924, überdies hervorgehobenen
Merkmale Eigenleben und Unberührbarkeit der Glieder bestehen zu Recht, treten
aber im obigen Zusammenhange nicht hervor (vgl. S. 282 f. und 289 [2. Aufl.,
Jena 1939, S. 293 f. und 301]).
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