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[144/145]

sowohl echter Kapitalismus wie eine der unseren gleichartige soziale

Frage wie auch Theorie vor

1

. Selbst der Bolschewismus fehlt nicht. Sei-

nen Höhepunkt fand der antike Sozialismus in den Utopien des E u h e -

m e r o s (3. Jahrhundert v. Chr.) und J a m b u l o s (1. Jahrhundert

v. Chr.). Eine nähere Behandlung ist hier nicht möglich. Doch soll noch

des entgegengesetzten Irrtums / gedacht werden, Platon sei mit seinem

„Staat“

2

ein Vertreter des Sozialismus im heutigen Sinne. P l a t o n s

„ S t a a t “ i s t n i c h t e i g e n t l i c h s o z i a l i s t i s c h , w e i l e r

n i c h t d e m o k r a t i s c h , s o n d e r n a u t o r i t a t i v i s t , nämlich

von den besten und weisesten Menschen regiert wird. Hier kommt

das „Beste“ zur Geltung, nicht die Masse und auch nicht die Gleichheit.

Die Gütergemeinschaft des Platonischen Staates betrifft nur den Führer-

stand und hat keinen materialistischen Sinn, vielmehr den des Verzichtes

der Führer auf Besitz und Weltlichkeit.

C.

Die Hauptvertreter bis Rodbertus

3

Sozialistische Bewegungen spielen in der Neuzeit in dem Maße eine

Rolle, als die individualistische Wirtschaftsordnung durchbricht. Sie be-

ginnen daher etwa mit der Französischen Revolution. Schon vor ihrem

Ausbruche hatten Morelly und Mably kommunistische Gleichheit aller

verlangt; auch R o u s s e a u predigte, wie wir wissen, Gleichheit aller

im Naturstande und verlangte die Rückkehr dahin. Während der Re-

volutionszeit bildete sich eine Kommunistenbewegung unter der Führung

Francois Noël Babeufs. Die von ihm 1796 angestiftete V e r s c h w ö r u n g

d e r G l e i c h e n wurde aber entdeckt.

Nur zu den Kritikern der individualistischen Wirtschaft, nicht zu

den Sozialisten selbst gehört der Genfer Jean Charles Leonard Simonde

de Sismondi (1773—1842, Nouveaux principes d’économie politique, Paris

1819, Neue Grundsätze der politischen Ökonomie oder der Reichtum in

seinen Beziehungen zur Bevölkerung, übertragen von Robert Prager,

Berlin 1901/1902). Er bekennt sich zum System von Adam Smith, war

jedoch auch von der deutschen R o m a n t i k wesentlich beeinflußt, was

für den deutschen Ursprung der modernen Sozialpolitik wichtig ist

(Surányi-Unger). Sismondi fordert planmäßige Einwirkung des Staates

zum Schutze der Armen ohne Kollektivierung der Erzeugung („System

der regulierenden Staatsintervention“).

1

Die Nachweise bei Robert von Pöhlmann: Geschichte der sozialen

Frage und des Sozialismus in der antiken Welt, 2 Bde, 3. Aufl., München

1925, z. B. Bd 1, S. 425 ff., Bd 2, S. 410.

2

Platon: Staatsschriften, griechisch und deutsch, übersetzt, erläutert

und eingeleitet von Wilhelm Andreae (= Die Herdflamme, 5, 6 und 13),

Jena 1923 ff. — Wilhelm Andreae: Staatssozialismus und Ständestaat.

Ihre grundlegenden Ideologien und die jüngste Wirklichkeit in Rußland

und Italien, Jena 1931.

3

Vgl. Lorenz von Stein: Geschichte der sozialen Bewegung in Frank-

reich von 1789 bis auf unsere Tage, 3 Bde, 1842 ff., Neuausgabe München

1921. Vgl. unten S. 193. — Wilhelm Andreae: Staatssozialismus und Stände-

staat, Jena 1931.