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sowohl echter Kapitalismus wie eine der unseren gleichartige soziale
Frage wie auch Theorie vor
1
. Selbst der Bolschewismus fehlt nicht. Sei-
nen Höhepunkt fand der antike Sozialismus in den Utopien des E u h e -
m e r o s (3. Jahrhundert v. Chr.) und J a m b u l o s (1. Jahrhundert
v. Chr.). Eine nähere Behandlung ist hier nicht möglich. Doch soll noch
des entgegengesetzten Irrtums / gedacht werden, Platon sei mit seinem
„Staat“
2
ein Vertreter des Sozialismus im heutigen Sinne. P l a t o n s
„ S t a a t “ i s t n i c h t e i g e n t l i c h s o z i a l i s t i s c h , w e i l e r
n i c h t d e m o k r a t i s c h , s o n d e r n a u t o r i t a t i v i s t , nämlich
von den besten und weisesten Menschen regiert wird. Hier kommt
das „Beste“ zur Geltung, nicht die Masse und auch nicht die Gleichheit.
Die Gütergemeinschaft des Platonischen Staates betrifft nur den Führer-
stand und hat keinen materialistischen Sinn, vielmehr den des Verzichtes
der Führer auf Besitz und Weltlichkeit.
C.
Die Hauptvertreter bis Rodbertus
3
Sozialistische Bewegungen spielen in der Neuzeit in dem Maße eine
Rolle, als die individualistische Wirtschaftsordnung durchbricht. Sie be-
ginnen daher etwa mit der Französischen Revolution. Schon vor ihrem
Ausbruche hatten Morelly und Mably kommunistische Gleichheit aller
verlangt; auch R o u s s e a u predigte, wie wir wissen, Gleichheit aller
im Naturstande und verlangte die Rückkehr dahin. Während der Re-
volutionszeit bildete sich eine Kommunistenbewegung unter der Führung
Francois Noël Babeufs. Die von ihm 1796 angestiftete V e r s c h w ö r u n g
d e r G l e i c h e n wurde aber entdeckt.
Nur zu den Kritikern der individualistischen Wirtschaft, nicht zu
den Sozialisten selbst gehört der Genfer Jean Charles Leonard Simonde
de Sismondi (1773—1842, Nouveaux principes d’économie politique, Paris
1819, Neue Grundsätze der politischen Ökonomie oder der Reichtum in
seinen Beziehungen zur Bevölkerung, übertragen von Robert Prager,
Berlin 1901/1902). Er bekennt sich zum System von Adam Smith, war
jedoch auch von der deutschen R o m a n t i k wesentlich beeinflußt, was
für den deutschen Ursprung der modernen Sozialpolitik wichtig ist
(Surányi-Unger). Sismondi fordert planmäßige Einwirkung des Staates
zum Schutze der Armen ohne Kollektivierung der Erzeugung („System
der regulierenden Staatsintervention“).
1
Die Nachweise bei Robert von Pöhlmann: Geschichte der sozialen
Frage und des Sozialismus in der antiken Welt, 2 Bde, 3. Aufl., München
1925, z. B. Bd 1, S. 425 ff., Bd 2, S. 410.
2
Platon: Staatsschriften, griechisch und deutsch, übersetzt, erläutert
und eingeleitet von Wilhelm Andreae (= Die Herdflamme, 5, 6 und 13),
Jena 1923 ff. — Wilhelm Andreae: Staatssozialismus und Ständestaat.
Ihre grundlegenden Ideologien und die jüngste Wirklichkeit in Rußland
und Italien, Jena 1931.
3
Vgl. Lorenz von Stein: Geschichte der sozialen Bewegung in Frank-
reich von 1789 bis auf unsere Tage, 3 Bde, 1842 ff., Neuausgabe München
1921. Vgl. unten S. 193. — Wilhelm Andreae: Staatssozialismus und Stände-
staat, Jena 1931.