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Der erste bedeutendere sozialistische Systematiker ist der Graf Claude

Henry de Rouvroy de Saint-Simon (1760—1825, Nouveau Christianisme,

Paris 1825, deutsch von Friedrich Muckle, Leipzig 1911. Die National-

ökonomie des St. Simonismus, übersetzt von Villaret, Leipzig 1905), in

dem sich die beiden großen Gedankenströme der Aufklärung und der

Romantik kreuzten. Er hob den inneren Gegensatz von Kapital und

Arbeit hervor. Eine Anzahl begeisterter Schüler erst entwickelte seine

Gedanken zu sozialistischen fort. Die bedeutendsten waren Barthélémy

Prosper Enfantin (1798—1864) und Saint-Amand Bazard (1791—1832).

Bazard formulierte St. Simons Grundgedanken so: „Jedem nach seiner

Fähigkeit, und jeder Fähigkeit nach ihrer Leistung.“ ( R e c h t a u f

d e n v o l l e n A r b e i t s e r t r a g . )

Charles Fourier (1772—1837) erhielt 1799 in Marseille als Handlungs-

gehilfe von seinem Chef den Auftrag, eine Schiffsladung Reis ins Meer

zu werfen, um eine Preissenkung zu verhindern. Dieses Erlebnis / beein-

druckte ihn tief. — Er will die Wirtschaft in sogenannten „Phalangen“

(Erzeugungs- und Verbrauchsgenossenschaften von 800—2000 Menschen)

zwanglos organisieren. Sein Grundsatz war: „Les attractions sont pro-

portionelles aux destinées“, die Neigungen sind proportional den Zielen

(der Arbeit). Das soll heißen, daß es für jede Arbeitsart Menschen geben

muß, die dafür bestimmt, geeignet und willig sind. Die Arbeit muß zum

Genuß erhoben werden. Die gerechte Verteilung erblickt Fourier darin,

daß die Arbeit

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/

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, das Talent

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und das Kapital

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des Gesamtertrages

erhalte. Fouriers bedeutendster Schüler Prosper Victor Considérant

(1808—1894) wirkte praktisch für die P r o d u k t i v g e n o s s e n s c h a f -

t e n .

Ähnlich dachte sich auch der Engländer Robert Owen (1771—1858.

„Neue Ansicht der Gesellschaft“, 1813, deutsch von Oswald Collmann,

Leipzig 1900) die Verwirklichung sozialistischer Pläne, nämlich haupt-

sächlich auf genossenschaftlicher Grundlage. Nach Owen ist (wie nach

Rousseau) der menschliche Charakter ein Erzeugnis von Erziehung und

wirtschaftlicher Lage, daher können die Regierungen glückliche Men-

schen und absolute Güterfülle schaffen. Ebensowenig wie es jetzt jeman-

dem einfällt, Wasser auf Flaschen zu füllen, ebensowenig wird dann

jemand stehlen. — Große Verdienste hat sich Owen durch sozialpoliti-

sche Einrichtungen in seiner Fabrik zu New-Lanark sowie durch Aus-

bildung der Idee freier Verbrauchs- und Erzeugungsgenossenschaften

erworben. Als bedeutendster Schüler Owens ist William Thompson

(1785—1833, „An Inquiry into the Principles of the Distribution of Wealth

most conducive to Human Happiness“, London 1824, 3. Aufl., 1869,

deutsch von Oswald Collmann, „Untersuchung über die Grundsätze der

Verteilung des Reichtums zu besonderer Förderung des menschlichen

Glücks“, Berlin 1903/1904) zu nennen. Das ganze Arbeitserzeugnis soll dem

Erzeuger gesichert werden (deutliche Ausbildung des Mehrwertbegriffes

1

!).

Louis Blanc (1813—1882, „Organisation du Travail“, Paris 1839, deutsch

von R. Prager, 1899) wollte keine soziale Revolution, sondern ein allmäh-

liches Hineinwachsen der jetzigen Ordnung in die neue, auf dem Wege einer

genossenschaftlichen Produktivassoziation der Arbeiter. (Übergangswirt-

1

Siehe Marx, unten S. 171 f. und 175 ff.