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Hiermit ist auch der Produktivitätsgedanke der Klassiker streng
durchgeführt: Die l e b e n d i g e A r b e i t i s t a l l e i n p r o d u k -
t i v , das Kapital wird als „vorgetane Arbeit“ nur verrechnet (ersetzt),
ist daher nicht produktiv. Enthält z. B. ein Gut 24 Arbeitsstunden und
stammen hiervon 12 aus Kapitalersatz (z. B. durch Abnutzung von Ma-
schinen) und 12 aus neuer Arbeit, so war diese allein produktiv, da sie
selbst vielleicht nur 4 Arbeitsstunden zum eigenen Ersatz für sich ver-
braucht — der Uberschuß von 8 (der Mehrwert) beruht daher auf der
alleinigen Fruchtbarkeit der lebendigen Arbeit, die, weil nur solche Ar-
beitsergebnisse Güter sind, die Sachdinge vorstellen, nur Handarbeit sein
kann: die Handarbeit allein ist produktiv. — Indem Marx den Wert der
Güter allein auf vorgetane Arbeit (Kapitalersatz) und lebendige Arbeit
aufrechnet, daher Kapitalzins, Unternehmergewinn, Bodenrente, Händler-
gewinn und dergleichen mehr nur aus dem Mehrwerte bezahlt werden
läßt, sind ihm a l l e d i e s e E i n k o m m e n s a r t e n n u r „ E r -
s c h e i n u n g s f o r m e n d e s M e h r w e r t e s “ . — Der Tauschwert
der Waren (W) kommt im Arbeitsstundengehalte des Geldes (G), das
heißt des Tauschvermittlers und Wertmaßes Gold, zur Erscheinung.
W—G—W ist daher nach Marx die Formel des Warenumsatzes
1
.
Das wichtigste Gesetz der kapitalistischen Erzeugungsweise, zu-
gleich ein Entwicklungsgesetz, liegt in der auf der „Akkumulation
von Mehrwert“ (das heißt Anhäufung von Kapital) beruhenden
„ K o n z e n t r a t i o n d e s K a p i t a l s “ beziehungsweise der Be-
t r i e b e . Im Wettkampfe obsiegen immer mehr die größten Be-
triebe mit den besten Maschinen, dem meisten Kapital, der weitest-
gehenden Arbeitsteilung. Diese Konzentration geht so vor sich, daß
immer größere Kapitalteile für das „konstante Kapital“ (Maschinen,
Rohstoffe, Baulichkeiten usw.), immer kleinere Teile dagegen für
das „vari-/able Kapital“, den Arbeitslohn, verwendet werden. Da
das variable Kapital im Verhältnis beständig abnimmt, so werden
dadurch Arbeiter beständig abgestoßen, das heißt arbeitslos. Diese
arbeitslose Bevölkerung bildet eine „relative Überbevölkerung“, die
von Marx so genannte „industrielle Reservearmee“. Das damit ge-
gebene stete Anwachsen lohndrückender Arbeiterbevölkerung be-
wirkt im Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung eine zunehmende
Verelendung der Massen. Der „Akkumulation von Kapital“ ent-
spricht die „Akkumulation von Elend“ ( V e r e l e n d u n g s t h e o -
r i e ) . Die Verelendung einerseits bedeutet Unterverbrauch, die Ver-
mehrung des konstanten Kapitals andererseits Übererzeugung
( K r i s e n t h e o r i e ) . — Die Entwicklung der kapitalistischen Ge-
1
Karl Marx: Das Kapital, Kritik der politischen Oekonomie, Bd 1,
Hamburg 1867, S. 68 ff und 109 ff.