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scheidet drei Vermögen: Erkennen (theoretische Vernunft), Wollen

(praktische Vernunft) und „Urteilskraft“. Aber diese Einteilung

stimmt mit der in Vorstellung, Gefühl und Wille, welche durch ihn

zur endgültigen gemacht wurde, nicht genau überein. Denn die

Urteilskraft soll zu dem gegebenen Besonderen das Allgemeine fin-

den und beurteilen. Die Ge- / fühle (das Angenehme, das Gute,

das Schöne) sollen nach der Verbindung mit den sie begleitenden

Urteilen unterschieden werden

1

. Reflektierende Urteilskraft und

Gefühlsvermögen sind also nicht einerlei. Uns dünkt ferner, daß

gerade die Einteilung in Erkenntnis, Gefühl und Wille im Sinne

der mechanistischen Psychologie liege, welche Kant doch überwin-

den wollte. Wenn auch der ältere Sensualismus die Gefühle nicht

eigens behandelte, so kannte er sie doch als Lust und Unlustbeto-

nung der Vorstellungen. Den Irrtum, der darin liegt, hat Kant

nicht zerstört.

Neu und dem Sensualismus widersprechend ist dagegen die ent-

schiedene Verkündung des P r i m a t e s d e s W i l l e n s , der

„praktischen Vernunft“, durch Kant, womit Augustinus wieder zu

Ehren kommt. Von dieser seiner A u f f a s s u n g d e s M e n -

s c h e n a l s e i n e s w o l l e n d e n G e i s t e s war der ihm

folgende deutsche Idealismus sehr bestimmt.

8.

Fichte. Schelling. Hegel

Als Fichte (

1814) die „Wissenschaftslehre“ begründete, vollzog

er die große Wendung, den Quellpunkt des Ich, die „Spontaneität“

oder, wie er sagte, die „Selbstsetzung“ allein in den Mittelpunkt

der Betrachtung zu rücken. Geist, Bewußtsein sind ihm nichts Ge-

gebenes, sondern ein sich stets aufs neue Setzendes: und darum auch

Freies

2

.

Daraus folgte, daß die Seelenlehre nun wirklich ein Ich, eine

Seele hatte, dasjenige W e s e n , das in allen Formen unseres See-

lenlebens zur E r s c h e i n u n g kam. (Es konnte jetzt auch eine

Trennung von Psychologie und Erkenntnislehre nicht mehr geben.

1

Kant: Kritik der Urteilskraft, Berlin 1790, § 29, S. 112.

2

Johann Gottlieb Fichte: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, Leip-

zig, 1794, Sämtliche Werke, Bd 1, Berlin 1845, S. 91 ff.

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