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Doch lassen wir diesen Punkt, der neue Erörterungen erfordert, hier

beiseite.) Fichte betonte noch mehr als Kant den Vorrang der

praktischen Vernunft. In der Sitten- / lehre führte er ihn streng

durch, in der Auffassung des Seelenlebens aber finden wir, daß die

Voranstellung der Selbstsetzung (Selbsttätigkeit, Spontaneität) des

Ich nicht dasselbe ist wie die Voranstellung des Willens. In der

Selbstsetzung handelt es sich um die Wurzel aller Bewußtseinser-

scheinungen überhaupt, in der Voranstellung des Wollens aber um

dieses als eine besondere Form von Bewußtseinserscheinungen.

Darum wird ja auch richtig das Ich von Fichte als Identität von

Wollen und Wissen bezeichnet.

Nicht mehr als Zusammensetzung einzelner Empfindungen, Vor-

stellungen oder auch Vermögen wurde nunmehr von Fichte das

geistige Leben erklärt (die Durchführung dieses Grundsatzes folgte

dem leider nicht ganz), sondern von einem letzten Ursprünge her

wurde seine Entfaltung verfolgt — und logisch abgeleitet! D i e s e

a b l e i t e n d e E n t w e r f u n g d e s i n n e r e n B a u e s u n d

L e b e n s d e s B e w u ß t s e i n s i s t F i c h t e s u r e i g e n -

s t e T a t . In ihr hat er die Geisteslehre als Geschichte des Be-

wußtseins begründet, als zeitlose Geschichte, als Gefügelehre. Fichte

selbst bezeichnet seine „Wissenschaftslehre“ auch als „Gnosologie“

des Ich

1

. Nach Fichtes Schrift „Die Tatsachen des Bewußtseins“

(1813)

2

wäre in der Geschichte des Bewußtseins zu unterscheiden:

als erste Stufe die Entstehungsgeschichte des individuellen Be-

wußtseins, das von sich durch seine eigene Tat weiß. Die U n m i t -

t e l b a r k e i t des Bewußtseins zu seiner eigenen Tat nennt Fichte

„ I n t e l l e k t u e l l e A n s c h a u u n g“. Das einzelne Bewußt-

seinsleben ist aber nur die Aufspaltung des allgemeinen Lebens, das

sich in ihm sammelt. Daher unterscheidet Fichte als zweite Stufe

die sittliche Welt, die sich aus dem Tun und der Bestimmung der

Menschen ergibt; als dritte Stufe das Leben des Bewußtseins als Bild

des Absoluten, das Bewußtsein von Gott.

/

Schelling (

1854) baute an dieser Arbeit im „System des tran-

szendentalen Idealismus“ (1800) fort. Er erweitert aber die Ge-

1

Johann Gottlieb Fichte: Sonnenklarer Bericht über das eigentliche Wesen

der neuesten Philosophie, Berlin 1801, Sämtliche Werke, Bd 3, Berlin 1845, S. 623.

2

Johann Gottlieb Fichte: Die Tatsachen des Bewußtseins, Stuttgart und Tü-

bingen 1813. Nachgelassene Werke, Bd 1, Leipzig 1834, S. 403 ff.