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schichte des Bewußtseins sozusagen durch ihre Vorgeschichte: die

Erklärung der Natur als einen Gang des Geistes zu sich selbst, des

Geistes, der im Menschlichen zu seinem eigenen Bewußtsein kommt.

Dadurch wird die Geisteslehre ungeheuer erweitert: Der Geist

kann nicht für sich, sondern er muß aus der Natur begriffen

werden. Und darin liegt wieder: daß das B e w u ß t l o s e in die

Wesenslehre und innere Geschichte des Geistes einbezogen werden

müsse.

Die enge Verbindung von Geisteslehre und Naturphilosophie,

welche wir bei den Alten und auch bei Leibniz fanden, wird hier

wiederhergestellt.

Die „Anthropologie“ von Steffens (1824), die „Psyche“ von Carl

Gustav Carus (1846) sind die wichtigsten Werke der Schule Schel-

lings, in denen die Seelenlehre zusammen mit der Naturphilosophie

abgehandelt wird. Aber auch die Werke von Gotthilf Heinrich von

Schubert

1

und dem jüngeren Fichte

2

sowie der gesamten Roman-

tik sind im weiteren Sinne hierher zu zählen

3

.

Hegel (

1831) entwickelte Fichtes und Schellings Geisteslehre in

seiner „Phänomenologie“ (1807) weiter. Die ganze Ärmlichkeit des

Sensualismus sowie seiner Unterscheidung von Vorstellung, Gefühl

und Wille war in diesem großartigen Versuche, den geistig-seeli-

schen Aufbau des Menschen ableitend zu begreifen, weit hinter sich

gelassen. Ein reich gegliedertes Gebäude ward aufgeführt, ein Ge-

bäude, das zweifellos viele Wahrheiten des Lebens in sich aufnahm,

während doch die Assoziationspsychologie, die zweihundert Jahre

lang herrschte, keinem Menschen für sein Innenleben etwas geben

konnte. Warum mußte diese Lehre wieder untergehen?

/

Die Antwort ist nicht leicht zu geben. Der wesentlichste Grund

lag gewiß in der geistigen Richtung der folgenden Zeit, welche nur

den Individualismus, Positivismus und Materialismus gelten ließ.

Der Sturz der Schellingischen und Hegelischen Schule ist die größte

Schmach der deutschen Geistesgeschichte. Aber ganz läßt sich die Ge-

1

Gotthilf Heinrich von Schubert: Die Geschichte der Seele, Stuttgart 1830,

5. Aufl., Stuttgart 1878.

2

Immanuel Hermann Fichte: Psychologie, Bd 1, Leipzig 1864, Bd 2, Leip-

zig 1873.

3

Uber Carus siehe oben S. 301.