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[422/423]

schichte der nachhegelischen Philosophie damit nicht erklären.

Das beweisen schon die großen Schwierigkeiten, die sich zeigen,

wenn man sich etwa vornähme, diese Geisteslehre heute wieder

zu erneuern. Ich sehe hauptsächlich drei Gebrechen, welche die

Erhaltung und Weiterentwicklung der in vielen Punkten so groß-

artigen

Fichte-Schelling-Hegelischen

Geisteslehre

verhinderten.

Erstens ging sie in der Ableitung des inneren Aufbaues und Gefüges

des Bewußtseins von der Sinnesempfindung aus. Das tat zuerst

Fichte in der „Wissenschaftslehre“, Schelling und Hegel folgten

ihm darin nach (was bei ihnen schon die Naturphilosophie nahe-

legte). Damit aber ist, wie uns dünkt, ein Grundfehler der sensua-

listischen Psychologie übernommen, nämlich der Aufbau von unten

hinauf. Gewiß kann man zur Rechtfertigung Fichtes manches

sagen — hauptsächlich, daß hier der Beginn von unten hinauf einen

anderen Sinn hatte, da ja das übersinnliche, sich selbst setzende Ich

dahinterstand und den wahren Anfang bildete —, aber das äußere

Bild der Forschung bleibt doch dem sensualistischen in diesem

Anfange allzu gleich. Zweitens brachte man es zu keiner neuen,

arteigenen E i n t e i l u n g d e r s e e l i s c h e n E r s c h e i n u n -

g e n , die in schlagender Weise der sensualistischen entgegengetreten

wäre. Am weitesten kam hier Schelling, denn er ging im Gebrauch

des (schon von Fichte entwickelten) Begriffes der „ i n t e l l e k -

t u e l l e n A n s c h a u u n g “ über Fichte hinaus, ohne daß es ihm

allerdings gelang, diesen Begriff streng systematisch seiner Lehre

einzubauen. — Drittens endlich liegt ein Grund des Scheiterns im

dialektischen Verfahren. Denn dieses erzwang es einerseits, mit der

einfachsten / Setzung, mit der Empfindung, also von unten, zu

beginnen; andrerseits verleitete es zu gewaltsamen, leeren Konstruk-

tionen, für welche das an naturwissenschaftlicher Erfahrungstreue

sich begeisternde Zeitalter gerade damals bald das wenigste Ver-

ständnis mehr hatte.

7.

Die neuesten Richtungen

So mußten die Schätze, welche diese Großen gehoben hatten,

ungenützt verlorengehen, während die Scheinwahrheiten und Platt-

heiten einer angeblich „experimentellen“, „physiologischen“, „exak-

ten“, „naturwissenschaftlichen“ Seelenlehre immer mehr vordran-

gen.