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Seilschaft muß aber zuletzt von selbst zu ihrer Aufhebung führen
( Z u s a mm e n b r u c h s t h e o r i e ) . Die Konzentration des Kapi-
tals bewirkt nämlich, daß schließlich einer geringen Anzahl von Ka-
pitalisten die ungeheure Masse der verelendeten Proletarier gegen-
übersteht. Diese wird nicht zaudern, den Widerspruch zwischen der
Produktionsweise (die gesellschaftlich, kooperativ ist) mit der Aneig-
nungs- und Austauschweise (die individualistisch ist) aufzuheben.
Die Arbeiter werden die Produktionsmittel an sich nehmen, um sie
in die Hände der Gesamtheit, der Gesellschaft zu legen. „Die Stunde
des kapitalistischen Privateigentums schlägt, die Expropriateure wer-
den expropriiert.“ Es folgt die „Diktatur des Proletariats“, als Über-
gang zur Zukunftsgesellschaft, die eine „klassenlose Gesellschaft“,
eine freie „Assoziation der Individuen“ sein wird. Jeder Erzeu-
gende erhält ungekürzt durch arbeitslose Renten den vollen Ar-
beitsertrag; das letzte Ziel aber ist: jeder erhält vom Überfluß der
Erzeugnisse, nach seinen Bedürfnissen. — Wie diese Kollektivierung
der Erzeugung, wie die Verteilung, wie die ganze Zukunftsgesell-
schaft überhaupt näher zu denken sei, hat Marx absichtlich nicht ent-
wickelt.
b.
Der historische Materialismus
In seiner Geschichtslehre ging Marx nicht von Ricardo, sondern
von Hegel aus.
Hegels Grundgedanke war, daß die Weltvernunft die Geschichte be-
herrsche („alles was ist, ist vernünftig“); und daß jede geschichtliche Er-
scheinung als notwendige Folge einer inneren Selbstbewegung des Ideen-
gehalts einer Zeit zu begreifen sei (in Gegensätzen: Thesis, Antithesis,
Synthesis — „dialektische Methode“). Marx machte sich diesen Gedan-
ken zu eigen, setzte aber an Stelle von Hegels metaphysischem Welt-
grund, an Stelle der „Idee“ oder Weltvernunft, einen / materiellen Me-
chanismus. So entstand daraus seine sogenannte materialistische Ge-
schichtsauffassung.
Danach ist die gesamte geschichtliche Entwicklung von der Ent-
wicklung der Wirtschaft bestimmt. Marx geht auf die damals herr-
schende U mw e l t l e h r e zurück. Die Menschen sind ihm in ihrem
Denken und Handeln ein Erzeugnis ihrer Umwelt, und zwar der
gesellschaftlichen. „Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr
Sein, sondern umgekehrt ist es ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Be-
wußtsein bestimmt.“
1
Was ist aber das Entscheidende in der gesell-
1
Karl Marx: Zur Kritik der politischen Oekonomie, Berlin 1859, Vor-
wort.