Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6563 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6563 / 9133 Next Page
Page Background

409

2. Die Kantische und die empiristische Einteilung

Mit Meister Eckehart hat die Lehre von der menschlichen Seele

ihren Höhepunkt erreicht. Sie ist mit jener der großen Meister des

Altertums eines Ursprunges, überhöht sie aber ins Übermenschliche.

Wie sehr auch die Geisteslehren des d e u t s c h e n I d e a l i s -

m u s , insbesondere die ihm zum Durchbruch verhelfende F i c h -

t e s , von demselben Grunderlebnis ausgehen und wieweit sie für

Spanns Pneumatologie sogar die Voraussetzung bilden, wurde von

Spann selbst sowie oben

1

hervorgehoben. Hier bleibt uns nur

noch übrig darzulegen, daß K a n t und sogar der E m p i r i s -

m u s hinsichtlich der Einteilung der Seelenbereiche, wenn letzterer

auch sehr oberflächennahe zu Werke geht, der Lehre Spanns doch

nicht so sehr entgegengesetzt sind, wie dieser in seiner kämpferi-

schen Einstellung vor allem gegenüber dem Empirismus betont. Wir

würden der Ganzheitslehre gewiß nicht allen ihr gebührenden

Dienst erweisen, wenn wir in dieser Einstellung Spann kritiklos

und sklavisch folgten. Wir glauben im Gegenteil ihre allgemeine

Verbindlichkeit noch dadurch unterstreichen zu können, daß wir

aufzeigen, wie sie sogar der empiristischen Psychologie und hin-

sichtlich einer mit ihren ganzheitlichen Begriffsmitteln allein mög-

lichen Erklärung der „Gefühle“ auch dem aus dem Sprachgebrauch

abzuleitenden Empfinden des Volkes entgegenkommt.

Kant hatte die Einteilung der Seelenkräfte (diese seinen drei Kri-

tiken zuordnend) als E r k e n n t n i s , W i l l e u n d G e f ü h l in

der Philosophie heimisch gemacht. Dürfen wir nun in bewußter

Vereinfachung das Gefühl zunächst als das Gemüthafte nehmen und

das erkennende Denken ganz allgemein dem Geiste (Nus, Intellec-

tus) gleichsetzen, so können wir eine weitgehende Übereinstim-

mung mit den bisher besprochenen Lehren (von Platon bis Ecke-

hart) insofern feststellen, als jeweils zwei dieser Vermögen sich

grundsätzlich decken. Gegenüber der ganzheitlichen Pneumatologie

besteht eine Entsprechung der theoretischen Vernunft (Erkenntnis)

mit dem Gegenstandsbewußtsein, der Urteilskraft (Gefühl) mit dem

gestaltenden Bewußtsein, und der praktischen Vernunft (Wille) mit

dem „Wollen und Handeln“.

1

Siehe oben S. 392 ff.