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Da hinsichtlich W i l l e u n d G e f ü h l das oben Gesagte
1
und
unten noch Auszuführende
2
gilt, verschiebt sich naturgemäß das
Vorrangverhältnis. Praktische Vernunft ist vor theoretischer Ver-
nunft, heißt nicht: Handeln ist vor Erkennen (Praxis vor Theorie),
sondern (durchaus im Sinne der Ganzheitslehre): Das Unmittelbare
ist vor dem Vermittelten
3
.
Daß Kant diesen Vorrang mit wahrhaft großem philosophischem
Instinkt festgehalten hat, beweist, daß seine Erlebnisgrundlage weit
über der Ebene eines die Philosophie ausdorrenden Rationalismus
steht. So nur konnte Fichte, diese Lehre bewußt fortführend, seine
Wissenschaftslehre mit einer geistigen „Tathandlung“ beginnen, mit
der „Selbstsetzung“.
Der Empirismus hingegen veräußerlichte die von Kant ge-
brauchte Einteilung dadurch sehr bedauerlich, daß er an die Stelle
des erkennenden Denkens die V o r s t e l l u n g setzte und damit
vor allem die sinnliche Vorstellung meinte. Dementsprechend muß-
ten auch die Begriffe Gefühl und Wille eine Veräußerlichung er-
fahren. Die alte Einteilung der idealistischen Philosophie wurde
damit ihres tiefen inneren Gehaltes beraubt, aber nicht grundsätz-
lich verneint, sondern doch wohl eben äußerlich gerade noch beibe-
halten. Wenn wir zurückschauen auf die Einteilung Kants, welche
von der heute herrschenden empiristischen Psychologie wenigstens
insofern wieder aufgenommen wird, als das D e n k e n ein eige-
nes Vermögen neben der Vorstellung darstellt, so können wir hin-
sichtlich der Einteilung der Seelenvermögen auf das bei den ideali-
stischen Lehren Gesagte verweisen; und es ist unsere letzte Auf-
gabe, eine Untersuchung über das Wesen der Gefühle anzustellen,
die seit K a n t in der Psychologie eine tragende Rolle spielen,
einer näheren Betrachtung jedoch erst durch Felix K r u e g e r un-
terzogen werden, der freilich in Ermangelung der kategorialen Be-
griffsmittel der Spannschen Lehre noch zu keinem dieser angemes-
senen Ergebnis gelangen konnte, aber dennoch um ein ganzheitliches
Verstehen der Gefühle verdienstvoll bemüht war.
1
Siehe oben S. 404 f.
2
Siehe unten S. 411 ff.
3
Siehe mein Buch: Die Geisteslehre Othmar Spanns. Ihre Stellung in der
Geschichte der Philosophie, in der Ganzheitslehre und gegenüber der modernen
Psychologie, Graz 1960, S. 47 f.