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III. Psychologie als Geisteslehre
„Es gehört zum Höchsten, was dem Menschen beschieden ist, den
Geist im Glanze seiner Selbstmacht, im Denken, zu betrachten“.
Mit diesem Worte hebt die „G a n z h e i t l i c h e L o g i k “ an,
jenes Alterswerk Othmar Spanns, das als reifste Frucht seiner Gei-
steslehre diese noch einmal in ihrer schöpferischen Fülle, zugleich
aber in der strengen Form systematischer Klarheit aufleuchten läßt.
In die herrschende Schulphilosophie soll bekanntlich die philo-
sophische Propädeutik, bestehend aus Psychologie plus Logik, ein-
führen. Wir sagen „plus“, weil die beiden als getrennte, von einan-
der unabhängige Fächer einfach summiert erscheinen, ohne tiefe-
ren inneren Zusammenhang. Nur in dem summenhaften Verfah-
ren gleichen sie sich äußerlich. Wie grundsätzlich anders verhalten
sich beide zueinander in der Ganzheitslehre. Sie sind eines Stam-
mes, sie haben die gleichen Wurzeln und bauen auf den gleichen
Grundbegriffen. Aus der E i n g e b u n g entspringt das geistige
Leben, das die P s y c h o l o g i e als Geisteslehre zu erforschen
sucht; aus ihr erschließt die ganzheitliche L o g i k das Wesen des
Begriffes
1
. Diese gegenseitige Entsprechung ist nur der Anfang in
der inneren Bezogenheit aller philosophischen Teilbereiche. Der
Aufbau der K u n s t p h i l o s o p h i e entspricht genau dem der
Logik, denn Vergegenständlichung und Gestaltung bedingen ein-
änder schon in der Gliederung des Geistes. Wie sehr der Einzel-
geist im Weltenbau verankert ist, zeigte die Zusammengehörigkeit
der Pneumatologie mit der K a t e g o r i e n l e h r e , seine Rück-
verbundenheit im Überweltlichen jene mit der R e l i g i o n s -
p h i l o s o p h i e .
Wie in jeder Ganzheit alles aufeinander hinweist, alles vonein-
ander getragen und gehalten wird, so können auch die einzelnen
Teilgebiete der Ganzheitslehre nur als Glieder einer Gesamtschau
verstanden werden, wobei nicht nur das Spätere auf das Frühere
gründet, sondern dieses festigt und in seiner Weise auch wiederum
1
Othmar Spann: Ganzheitliche Logik, Salzburg, Klosterneuburg 1958, S. 36 ff.
Aber schon in der ersten Fassung der Geisteslehre (Der Schöpfungsgang des
Geistes, 1928, S. 266 ff.) werden die Grundzüge der Logik aus der Pneumatologie
entwickelt. Siehe auch oben S. 72 ff.