413
Was von Spann über das Gefühl gesagt wurde, das wurde (eben
schon) gesagt: in der Ausgliederungslehre. Der großartige, überge-
waltige Wurf, den er mit der Lehre von der Rückverbundenheit
des subjektiven Geistes getan, hatte sein Ziel bereits jenseits eines
Bereiches, in welchem die „Gefühle“ als lebensvolle Erscheinungen
der Rückverbundenheit ihre Erklärung und Würdigung hätten er-
fahren müssen.
„Das Genialste, was Spann überhaupt gemacht hat, ist die Rück-
verbundenheit
1
.“ Die Rückverbundenheit ist es, die uns das We-
sen von Geist und Seele
2
erst ganz auf schließt. Insbesondere: durch
Rückverbundenheit wird die Seele zur Seele. Und darum ordnen
sich die Gefühle dem Seelischen zu. Alle Gefühlstheorien scheiterten
oder blieben unbefriedigend mangels einer Erklärung aus der
Rückverbundenheit. Weil die Ganzheitslehre in dieser ihren inner-
sten Kern besitzt, hat sie — weit entfernt, das Gefühl als echten
psychologischen Begriff abweisen zu müssen — im Gegenteil allein
die Voraussetzung zu seiner philosophischen Erfassung.
Dadurch verstehen bzw. erklären sich auch die Kruegerschen
„Funktionszusammenhänge“ der Gefühle. Die unermeßliche Viel-
gliedhaftigkeit der menschlichen Seele läßt diese die Rückverbun-
denheit und daher auch die Gefühle in überaus „heterogener“ Weise
erleben, so daß sich die Gefühle in der Tat in einem „Qualitäten-
komplex“ durchdringen. Allverbreitung, Alldurchdringung sind
demnach selbstverständliche Erlebnisweisen der Gefühle. Der zu-
nächst paradox anmutende und von Spann getadelte Begriff der
„ K o m p l e x - Q u a l i t ä t
3
“ bedeutet nicht eine ursprüngliche
Ganzheit, aus welcher sich die einzelnen Gefühle ableiten, wie es
wohl Krueger zu verstehen scheint, sondern ist nur aus der ganz-
heitlichen Kategorie der „V i e 1 m i
1 1
i g k e i t“ und „ V i e l -
g l i e d h a f t i g k e i t “ zu erläutern. Nicht ein Grundgefühl
gliedert Teilgefühle aus, sondern der vielgliedhaften Rückverbun-
denheit e n t s p r e c h e n vielerlei Gefühle, so daß sie trotz ihres
1
Ausspruch von Hans Riehl.
2
Wenn wir mit Spann (siehe oben S. 10) beide grundsätzlich gleichsetzen, so
klingen doch schon sprachlich in jedem der beiden Worte andere Seiten ihres
einigen Wesens an.
3
Siehe oben S. 43 f., 375 und öfter.