Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6572 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6572 / 9133 Next Page
Page Background

418

Geisteswissenschaften seiner Zeit so gerne auswichen, ließen Spann

einen Weg finden und zu Ende gehen, den in der Geschichte der

Wissenschaften und der Philosophie nur wenige durchzuhalten ver-

mochten. Daß sich in der ersten Fassung der Gesellschaftslehre (1914)

erst keimhafte Ansätze des späteren Systems zeigen konnten, war

bei der damaligen Lage der Geisteswissenschaften auch für Spann

nicht anders möglich, dem Ehrfurcht für das Überlieferte tief ein-

geprägt war.

Doch schon nach einem Jahrzehnt war das System voll ausgereift.

Die K a t e g o r i e n l e h r e (1924) läßt uns sehr einsichtig das

ganzheitliche Gefüge der Welt erkennen. Bereits während der Ar-

beiten für dieses erste philosophische Werk muß Spann auch der

entscheidende Blick in das Wesen des Geistes gelungen sein. Denn im

gleichen Jahr erscheint der nicht nur für die spätere endgültige

Fassung der Gesellschaftslehre

1

maßgebende, sondern auch für die

Geisteslehre grundlegende Aufsatz über „V o r r a n g u n d G e -

s t a l t w a n d e l

i n

d e r

A u s g l i e d e r u n g s o r d n u n g

d e r G e s e l l s c h a f t “ . Er schlägt auch bereits eine Brücke von

der Gesellschaftslehre (der Lehre vom objektiven Geist) zu der

Lehre vom subjektiven Geist. Eine solche Lehre wird sodann im

Jahre 1928 im und als „ S c h ö p f u n g s g a n g d e s G e i s t e s “

vorgelegt.

In diesem Werke hat Spann den für die Geisteslehre so bedeut-

samen Schritt getan: Er stellt ihr die Grundzüge einer N a t u r -

p h i l o s o p h i e gegenüber. Indem er dabei erstmalig in der Ge-

schichte der Philosophie die Natur als eine dem Geiste mit ihren

immateriellen Wurzeln innigst verbundene, in ihrer Räumlichkeit

aber konträr entgegengesetzte Welt aufzuzeigen vermag, setzt er

einer Entwicklung das Ziel, welche in der griechischen Philosophie

anhebt, in der Neuzeit seit Descartes zur schicksalhaften Proble-

matik wird und im deutschen Idealismus nur einen vorläufigen und

unbefriedigenden Abschluß finden kann. „Die stoffliche Welt ent-

steht dadurch, daß sich vorstoffliche Wesenheiten oder Urqualitäten

in ihrer eigenen Tat verräumlichen ... Der Geist kann sich nicht

verräumlichen, er denkt.“

2

Damit ist eine scharfe, unumgängliche

1

Othmar Spann: Gesellschaftslehre, 3. Aufl., Leipzig 1930.

2

Othmar Spann: Der Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, S. 360.