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gesetzliche Notwendigkeit alles gesellschaftlichen Geschehens grün-
den („sozialer Determinismus“); während dagegen bei Hegel die
metaphysische Notwendigkeit der Idee herrscht. „Für Hegel“, sagt
Marx, „ist der Denkprozeß [der Weltvernunft]... der Demiurg des
Wirklichen... Bei mir ist umgekehrt das Ideelle nichts anderes als
das im Menschenkopf umgesetzte ... Materielle.“
2. B e u r t e i l u n g
a. Wirtschaftslehre
Jedermann bekannt ist die ungeheure Wirkung Marxens auf die
Arbeiter der ganzen Welt, welche er unter dem Rufe „Proletarier
aller Länder, vereinigt euch!“ zum Kampfe gegen den Kapitalismus
sammelte. Wie steht es mit der Richtigkeit seiner Lehre?
Da ist nun das Merkwürdige, daß jede einzelne seiner Theorien
fehlerhaft ist. Der R e i c h t u m s b e g r i f f Marxens unterliegt der-
selben Kritik wie jener Smiths, er ist, als bloße Summe von Sach-
gütern gefaßt, rein mechanistisch, atomistisch, und das heißt — in-
dividualistisch
1
; wogegen der von Marx mißachtete Adam Müller
die o r g a n i s c h e Zusammensetzung und das g e i s t i g e Element
im Reichtum hervorhob
2
; die W e r t l e h r e Marxens unterliegt,
,als mit einem gleichsam substantiellen Werte (der Arbeitsmenge)
arbeitend' den gleichen vernichtenden Einwänden wie jene Ricar-
dos
3
. Der Arbeitsgehalt bestimmt nicht den Wert der Waren. Eine
eigene Wertsubstanz gibt es nicht, sondern der Wert liegt in der
Leistung, in der Zielerreichung verankert
4
.
Die Schwierigkeiten, die sich bei Marxens Wert- und Profit- (das ist
„Mehrwert“-) Erklärung ergeben, sind denn auch — jedoch verschärft —
dieselben, wie sie oben bei Ricardo erwähnt wurden
5
. Es müßten näm-
lich, da der Unternehmer nur von der Ausbeutung der Arbeiter lebt, jene
Unternehmer, die wenig Arbeiter / und viele Maschinen beschäftigen
(z. B. Walzwerke) wenig Mehrwert, jene aber, die viele Arbeiter und
wenig Maschinen beschäftigen (z. B. Konfektionsgewerbe), viel Mehrwert
erzielen — ein Paradoxon, das insbesondere die Konzentration des Ka-
pitals verhindern würde. Marx hat diese Schwierigkeiten später selbst
erkannt und gab denn auch im dritten Band des „Kapitals“ seine Wert-
theorie eigentlich selbst preis, indem er zugestand, daß der P r e i s
1
Siehe oben S. 78.
2
Siehe oben S. 123.
3
Siehe oben S. 103 f.
4
Siehe unten S. 222.
5
Siehe oben S. 108 ff.