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schen zurückzuführen — das ist der wahrhaft dämonische Kern des
Marxismus.
Marx sieht nicht, daß die Wirtschaft nur eine dienende Stellung, daß
sie nur als S y s t e m d e r M i t t e l f ü r Z i e l e Dasein hat. — Man
werde doch endlich der Barbarei inne, die in solcher Verwischung des
ewigen Wahrheitsgehaltes der großen Ideen aller Zeiten liegt; und man
ermesse den Zwiespalt, der durch solche Lehren vom „Klassenkampf“ in
das Leben einer Nation getragen wird. Und in welchen leeren Raum wer-
den die Proletarier dabei hinausgestoßen: in eine Welt, in der man alles,
was Recht, Wahrheit und Schönheit ist, für nichtig hält und / dem ent-
wurzelten Leben keinen idealen Inhalt mehr abgewinnen kann. Marx
selbst hatte mit der Hinwendung zu dem groben Naturalismus eines
Feuerbach (dessen „Wesen des Christentums“ 1841 erschien) den Idealis-
mus Hegels preisgeben. M a r x h a t v o n H e g e l i n W a h r h e i t
n i c h t s g e l e r n t , er ist Mechanist, Aufklärer, daher auch Indivi-
dualist geblieben.
c.
Die Staats- und Gesellschaftslehre
zeigt in ihrem soziologischen Gefüge grelle Widersprüche: Die
neue Entwicklungsstufe der Zukunftsordnung ist als unstaatliche
„Gesellschaft“, als „Fehlen der Herrschaft von Menschen über Men-
schen“, das heißt als streng i n d i v i d u a l i s t i s c h e s Ideal ge-
dacht; die dahinführende kollektive Entwicklung dagegen u n i v e r -
s a l i s t i s c h ; und der Gang der Geschichte wieder nach der ortho-
dox marxistischen Meinung, daß das Denken der Menschen von
ihrem äußeren Dasein bestimmt werde, ein bloßer Reflex desselben
sei, m e c h a n i s t i s c h (Milieulehre). Diese letztere Ansicht ist
übrigens nur eine kritiklose Nachbetung Rousseaus, aufklärerische
Flachheit, zuletzt Materialismus. — Wesenswidrig ist auch der
Grundsatz der „Klassenlosigkeit“ (Ständelosigkeit) und der Gleich-
heit. Denn alles Lebendige und organisch Gebaute beruht auf Ab-
stufung, organischer Vielfalt, Ungleichheit. — Daß Marx den
S t a a t „ a b s t e r b e n “ läßt, beruht auf seiner rein individualisti-
schen Ansicht vom Wesen der Gesellschaft, die ihm, durch das
„Fehlen der Herrschaft von Menschen über Menschen“ bezeichnet,
nichts als eine „freie Assoziation der Individuen“ ist. Hier wird der
„wissenschaftliche Sozialismus“ zur — anarchistischen Utopie,
d.
Marxens Persönlichkeit
ist sehr umstritten. Die einen sehen sein Wesen durch Mitleid bestimmt,
die anderen durch Haß und Zerrissenheit. Keinesfalls ist Marx ein schöp-
ferischer Geist gewesen. Mitleid bestimmt, aber das Genie produziert.
M a r x h a t n i c h t e i n e n e i n z i g e n G r u n d g e d a n k e n s e i -
n e r L e h r e s e l b s t h e r v o r g e b r a c h t , sondern alles zusammen-