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materialistischen Geschichtsauffassung Marxens fremd. Lassalle war phi-
losophisch besser durchgebildet als Marx und stand auf dem Boden der
Fichtischen und nachkantischen Philosophie. Er war eine von Tatkraft
übervolle Persönlichkeit mit glänzender Rednergabe. Seine Bedeutung
liegt aber nicht auf theoretischem Gebiete, sondern in der werbenden
Tätigkeit, der die (erst später marxistisch gewordene) deutsche Arbeiter-
partei hauptsächlich ihr Dasein verdankt.
G.
Die Bodenreform
Als die wichtigsten Richtungen der sogenannten Bodenreform sind zu
unterscheiden:
1.
jene, welche die Verstaatlichung des Bodens,
2.
jene, welche die Wegsteuerung der Bodenrente verlangen.
Zur ersteren gehören: Hermann Heinrich Gossen (aber mit Einschrän-
kungen
1
), Theodor Stamm („Die Erlösung der darbenden Menschheit“,
1870), Michael Flürscheim („Der einzige / Rettungsweg“, 1890; „Ztschr.
Freiland“), Theodor Hertzka
2
, Franz Oppenheimer („Deutsche Siedlungs-
genossenschaft“ (1896), 3. Auflage 1922);
zur letzteren namentlich Henry George und Adolf Damaschke.
Der amerikanische Schriftsetzer H e n r y G e o r g e („Progress and
poverty“, 1879, deutsch: „Fortschritt und Armut“ (1881), 6. Aufl., Berlin
1920) sieht in der Bodenrente, die er ebenso wie Ricardo erklärt, die
Q u e l l e a l l e s E l e n d s , insbesondere des niedrigen Arbeitslohnes so-
wie der Krisen. Die völlige Wegsteuerung der Grundrente durch eine
„single tax“ (alleinige Steuer auf den Bodenwert) würde daher die Ret-
tung aus aller sozialen Not bringen.
In eine realpolitische Form brachte der Berliner Volksschullehrer
A d o l f D a m a s c h k e (1865—1935, „Die Bodenreform“, 1902, 20. Auf-
lage, Jena 1922; „Aufgaben der Gemeindepolitik“, 10. Auflage, 1922)
diese Lehre seit etwa 1898. Er lehnte die „single tax“ ab, trennt die
„Grundrente von gestern“ von der „Grundrente von heute“. Erstere soll
als gegeben hingenommen werden, die letztere, die „Zuwachsrente“, da-
gegen der Gesamtheit zufallen. Dies soll namentlich für die städtische
Bodenrente erreicht werden durch: Wertzuwachssteuern, Grundsteuern
nach dem gemeinen Wert, Ausdehnung gemeindlichen Bodenbesitzes,
Anwendung des Erbbaurechtes, Förderung des Wohnungswesens und
ähnliches. — Es ist ein großes Verdienst Damaschkes, solchen überwie-
gend nützlichen Maßnahmen überall im deutschen Sprachgebiete die
Wege geebnet zu haben. Millionen verdanken ihm Siedlungen und Eigen-
heime. Anders steht es mit dem t h e o r e t i s c h e n G e h a l t auch von
Damaschkes Lehre, die ebenso unhaltbar ist wie jene von Henry George.
„Die Grundrente ist soziales Eigentum“, sagt Damaschke. „Bezöge sie die
Gesamtheit in irgendeiner Form, etwa durch Monopolbetriebe, durch
Pachten, Renten, Hypothekenzinsen, Erbbauabgaben, Steuern usw., so
könnte sie aller unverschuldeten Not ein Ende bereiten (!) und jedem
Menschenkinde . . . die Möglichkeit geben, seine . . . Fähigkeiten voll
1
Siehe unten S. 200.
2
Theodor Hertzka: Freiland, ein soziales Zukunftsbild, 1889.