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begriffe bereichert worden; trotzdem aber blieben seine Grund-

gedanken dürre, lebensfremde Konstruktionen, die namentlich den

s o z i a l p o l i t i s c h e n Anforderungen der Zeit nicht genügen

konnten. Außerdem wirkten aber dieselben philosophischen Gründe,

die seinerzeit zur Bildung der romantischen Schule führten (Anti-

rationalismus und so fort), in umgebildeter und mehr unbewußter

Form weiterhin nach und drängten zur Abwendung vom indivi-

dualistischen Klassizismus und seinem Verfahren. Es entstand die

g e s c h i c h t l i c h e S c h u l e in Deutschland.

Auf die letzte glänzende Spekulation der deutschen Philosophie,

namentlich Hegel und seine Schule, folgte ein naturwissenschaftlich-

materialistischer, jeder Metaphysik feindlicher Rückschlag. Die Nation

wandte sich von der inneren Bildung zur äußeren Arbeit. In Sittenlehre

und Philosophie gewann der platte englische Empirismus Boden. Trotz-

dem ist für die deutsche Wissenschaft entscheidend geworden, daß der

universalistische Geist der Romantik und der nachkantischen Philosophie

in der Form des Historismus dauernd Wurzel gefaßt hatte. Von ihm aus

entstand in den Rechts- und Staatswissenschaften schon im Anfang des

19. Jahrhunderts unter der Führung von v. S a v i g n y , E i c h h o r n

u n d P u c h t a d i e „ h i s t o r i s c h e R e c h t s s c h u l e “ (die uns

oben

schon begegnete

1

). Sie verwarf das rationalistische, abstrakte Naturrecht

und nahm das geschichtlich gewordene positive Recht zum Gegenstand

ihrer Forschung. — In der Volkswirtschaftslehre lag gleichfalls die

Forderung nahe, an Stelle der rein abstrakten, unwirklichen Konstruk-

tionen der klassischen Theorie eine g e s c h i c h t l i c h e /Betrachtung

der Wirklichkeit zu setzen (die erst später im naturwissenschaftlichen

Sinne umgedeutet und „Induktion“ genannt wurde).

Die Männer, welche im Anschluß an die geschichtliche Rechts-

schule und beeinflußt von der durch Adam Müller, List und Baader

bereits geschaffenen Überlieferung zuerst jene Forderung erhoben

und auf das Geschichtliche in der Wirtschaft zurückzugehen strebten,

waren W i l h e l m R o s c h e r

1 2

, K a r l K n i e s

3

, B r u n o H i l d e -

b r a n d

4

. Sie begründeten die sogenannte ältere geschichtliche

1

Siehe oben S. 119 und unten S. 193.

2

Wilhelm Georg Friedrich Roscher: Grundriß zu Vorlesungen über

die Staatswirtschaft nach geschichtlicher Methode, Göttingen 1843;

System der Volkswirtschaft, 5 Bde, Leipzig 1854 ff., Bd 1 (Grundlagen

der Nationalökonomie), 26. Aufl., Stuttgart 1922.

3

Karl Gustav Adolf Knies: Die politische Ökonomie vom Standpunkte

der geschichtlichen Methode (1853), 2. Aufl. unter dem Titel: Die poli-

tische Ökonomie vom geschichtlichen Standpunkte, 2 Bde, Braunschweig

1881 und 1883, Neudruck Leipzig 1930.

4

Bruno Hildebrand: Die Nationalökonomie der Gegenwart und Zu-

kunft, Bd 1, Frankfurt am Main 1848, Neuausgabe von Hans Gehrig,

Jena 1922.