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wiegend deduktiv, verwirft aber die Induktion nicht, daher die
Bezeichnung „deduktiv“ ungenau ist.) Im zweiten Falle — der
Fragestellung der geschichtlichen Schule, die nur geschichtlich-kon-
krete Wirtschaft kennt — wird ein g e s c h i c h t l i c h e s u n d
s t a t i s t i s c h - r e a l i s t i s c h e s V e r f a h r e n gewählt, welches
den Stand der Dinge statistisch-beschreibend erkennen, die Gegen-
wart als Folge der Vergangenheit begreifen und außer dem Eigen-
nutze auch die gesellschaftlich-sittlichen Kräfte berücksichtigen will.
Auf Gesetzeserkenntnis, auf Theorie wird dabei notgedrungen ver-
zichtet. Wert-, Preis- und Lohngesetze kann es danach streng ge-
nommen nicht geben; was davon zu beobachten ist, wird in „Ent-
wicklungstendenzen“ oder äußere „Regelmäßigkeiten“ aufgelöst. /
Die jüngere geschichtliche Schule faßte also die Frage des Ver-
fahrens als eine Frage des Maßes von Induktion und Deduktion auf.
Das ist aber falsch, weil jedes Verfahren beide Hilfsmittel gebrauchen
muß. Für Menger ist dagegen schon viel richtiger die Grundfrage
der Verfahrenlehre die: ob der Gegenstand der Volkswirtschafts-
lehre die jeweilige empirische, die geschichtlich-gesellschaftliche Wirt-
schaft sei, oder ein rein abstraktes Gebilde.
Aber auch das ist noch nicht der Kern der Frage. Vielmehr er-
weist sich ein anderes Verhältnis, das Verhältnis von Wirtschaft und
Gesellschaft, das heißt vom Teilinhalt zum Ganzen, als die letzte
Grundfrage des Verfahrens. Es handelt sich damit zuletzt um die
individualistische oder universalistische Auffassung der Gesellschaft.
Geht man diesem Verhältnis auf den Grund, so ergibt sich schließlich:
1.
daß bei i n d i v i d u a l i s t i s c h e r Auffassung der Wirtschaft und
Gesellschaft der einzelne Wirtschafter als eine autarke, atomhafte Kraft
betrachtet wird, die auf dem Markte erscheint, immer etwas Selbständi-
ges, Eigenes ist und daher nach dem abstrakten, isolierenden Verfahren
untersucht werden kann. (Denn die reine, abstrakte, an und für sich
bestehende Wirtschaftshandlung wirkt sich auch in reiner Wirtschaft,
als in einer gleichsam für sich bestehenden Seite des Lebens aus.)
2.
Eine gleich isolierende Betrachtung des wirtschaftenden Indivi-
duums ist hingegen nicht möglich, wenn dieses, statt autark-individuali-
stisch gefaßt zu werden, unlösbar verwoben mit den übrigen gesellschaft-
lichen Erscheinungen, das heißt u n i v e r s a l i s t i s c h gedacht wird.
Dann erscheint das Individuum, die Ware, die Nachfrage, der Wert usw.
auch nicht als je für sich G e g e b e n e s — das heißt ja Autarkes, aus
sich selbst Seiendes — auf dem Markte, sondern nur im Z u s a m m e n -
h a n g e der Wirtschaftsmittel, das heißt als G l i e d der Wirtschaft und
durch diese hindurch der Gesellschaft (der geschichtlichen Ziele). Das
Gegebensein von Waren, Werten usw. für sich ist dann nur eine An-
nahme, nur eine Unterstellung der Untersuchung. So ergibt sich: das