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mit einer Nähmaschine, statt der Unterstützung mit einem Geldbetrag). /
2.
E i n t e i l u n g
Hieraus ergibt sich eine Einteilung der Sozialpolitik. Man kann unter-
scheiden:
1. Die auf den Arbeitsertrag und die Arbeitsbedingungen gerichtete
Sozialpolitik, z. B. Maximalarbeitstag, Pausen, Sonntagsruhe, Kinder- und
Nachtarbeit, Kündigungsfristen, Zwangs Versicherung der Arbeiter gegen
Krankheit, Unfall, Invalidität, Alter, Verwaisung, Arbeitslosigkeit,
Mutterschaft usw. (Die Zwangsversicherung schuf Bismarck in den achtziger
Jahren. Diese Riesenreform wäre nicht möglich gewesen ohne die
entsprechende Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch die
„Kathedersozialisten“.)
2.
Die auf die Erhöhung des Wertes der Arbeitskraft gerichtete So-
zialpolitik (gewerbliche Fortbildung, fachlichen Unterricht, Förderung von
Talenten, Stipendienwesen und dergleichen).
3.
Die auf die Familie und Erziehung gerichtete Sozialpolitik (Be-
rufsvormundschaft, Fürsorgeerziehung, Jugendgerichte)
1
.
4.
Die auf den Verbrauch gerichtete Sozialpolitik (Wohnungspolitik,
Arbeitergärten, hauswirtschaftliche Belehrung und Volksbildung [z. B. Kampf
gegen den Alkohol], Verbrauchsgenossenschaften).
5.
Die Heranziehung der Bürger zur Steuerleistung in einem die be-
nachteiligten Gruppen fördernden Sinne, Festsetzung eines steuerfreien
Existenzminimums, die progressive, das heißt mit der Größe des Eigentums
verhältnismäßig ansteigende Belastung des Einkommens und Vermögens,
Wertzuwachssteuer, bei indirekten Steuern Rücksichtnahme auf die
verschiedene Belastung, welche das Budget des Armen und Reichen durch sie
erfährt (Beachtung des E n g e l s c h e n u n d S c h w a b e - s c h e n
G e s e t z e s
2
) .
6. Die Förderung der Organisierung bedrängter Gruppen: Gewerk-
schaften, Einigungsämter.
Das Armen- und Unterstützungswesen, Rettungswesen und sonstige
Hilfeleistung in akuten und hoffnungslosen Fällen (z. B. Krankenhäuser,
Krüppelfürsorge usw.) bildet dagegen, wie oben dargelegt, die Grenze, wo die
rationelle Sozialpolitik mehr in persönliche Unterstützung und bloße
Humanität übergeht.
Eine andere Einteilung der Sozialpolitik ist die nach den Elementen der
Ausgliederungsordnung und der geführten Stellung in ihr. Doch kann hier
nicht darauf eingegangen werden
3
.
1
Vgl. mein
Buch:
Die Erweiterung der Sozialpolitik durch die Berufs
Vormundschaft,
Tübingen 1912.
2
Vgl. oben S. 185.
3
Vgl. mein Buch: Der wahre Staat, 4. Aufl., Jena 1938, S. 71, 200
ff.
und 210
ff.; ferner: Die Krise der Sozialpolitik, in: Kämpfende Wissenschaft, Jena 1934,
S. 19 ff. — Ferner: Walter Heinrich: Das Ständewesen (1932), 2. Aufl., Jena
1934, S. 246 ff.; Die soziale Frage, Jena 1934.