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stimmte, konkrete Kraft des Zusammenhaltes heißt in der
Physik Kohäsion. Die Kohäsion ist die bestimmte physikalische
E r s c h e i n u n g s f o r m der Gestaltungskraft. Je nach der
Art der Kohäsion ergeben sich bestimmte Gestaltungsweisen
oder Aggregatzustände.
Die Zusammenhaltkraft oder Kohäsion hat selbst wieder ver-
schiedene Äußerungen oder Formen, in denen sie erscheint, so
in:
H ä r t e ,
F e s t i g k e i t ,
S p r ö d i g k e i t ,
E l a s t i z i t ä t ,
D e h n b a r k e i t und ähnlichem; aber auch die sogenannten
A g g r e g a t z u s t ä n d e gehören, wie erwähnt, dazu, da sie
ja nichts anderes sind als arteigene Gestaltungszustände, Kohä-
sionsweisen oder -stufen, Grade der Gestaltung oder Kohäsion.
Da die Gestalt eine Einheit, etwas Überräumliches ist, so
dürfen wir als gestaltbildend nur ansprechen: was s i c h m i t
d e r E n t f e r n u n g n i c h t a b s c h w ä c h t , was also dem
Newtonischen Gesetze und dem Coulombischen Gesetze nicht
gehorcht. Denn Einheit schließt Abschwächung aus. Das Nicht-
gelten des Entfernungsgesetzes ist das beste Merkmal, Ursprüng-
liches von Abgeleitetem, Gestaltungskraft von bloß anziehenden
und abstoßenden Kräften zu unterscheiden.
Die Kohäsion als Äußerung der Gestaltungskraft ist etwas
Ursprüngliches. Sie ist es, welche Lagerung und Gefüge der
Teilchen bestimmt; sie f o l g t n i c h t u m g e k e h r t a u s
d e n T e i 1 c h e n , f o 1 g t n i c h t e r s t a u s d e n
s o g e n a n n t e n M o l e k u l a r k r ä f t e n , das heißt aus An-
ziehung und Abstoßung der sogenannten Moleküle. Sie ist also
keine „Resultante“ der „Molekularkräfte“.
Es ist nicht unbekannt, welche Schwierigkeiten die Kohäsions-
kräfte der mechanischen Theorie machen, die sie in Molekular-
kräfte, sei es elektrische, sei es im engeren Sinne mechanische auf-
lösen will
1
.
/
Zunächst läßt sich die Kohäsion bekanntlich nicht unter jenen Gesichts-
punkt der S t e t i g k e i t bringen, der einer mechanischen und elektrodyna-
mischen Theorie nahe läge. Vielmehr zeigt sie eine solche Mannigfaltigkeit und
eine solche U n s t e t i g k e i t , Sprunghaftigkeit ihres Verhaltens, daß eine
mechanische Theorie, und überhaupt jede Erklärung von unten hinauf (näm-
lich von sogenannten „Molekularkräften” her), offensichtlich nicht ausreicht.
Bei manchen Stoffen, z. B. Zink und Zinn, finden bei Temperaturerscheinungen
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Vgl. Friedrich Kottje: Erkenntnis und Wirklichkeit, Leipzig 1926, S. 170ff.