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200

[175/176]

Die Grundgedanken der Grenznutzentheorie wurden fast gleichzeitig

unabhängig voneinander gefunden, von dem Deutschen Carl Menger,

Professor in Wien (f 1921)

1

, dem Engländer William Stanley Jevons

2

und dem

Schweizer Franzosen Leon Walras

3

; jedoch hatte früher schon der Deutsche

Hermann Heinrich Gossen in einer unbeachtet gebliebenen Schrift

4

ähnliche

Gedanken entwickelt, die erst Jevons aus ihrer Verschollenheit gerettet hat;

und noch früher teilweise der Mathematiker Daniel Bernoulli

5

.

Bemerkenswerte Ansätze finden sich auch bei Bruno Hildebrand

6

; jedoch

beruht schon Thünens Lohn, und Kapitalzinslehre auf / verwandten

Gedanken

7

.

α . D e r G r u n d g e d a n k e C a r l M e n g e r s

Nach Menger erlangen die Güter Wert durch die Bedeutung, die sie als

Bedingung konkreter Bedürfnisbefriedigung haben, nicht durch eine bloß

mögliche Nützlichkeit (der „Gebrauchswert“ bei Smith) noch durch eine

objektive Substanz (z. B. Arbeitsmenge). Menger unterscheidet Güter erster

Ordnung (Genußgüter) und höherer Ordnung (Erzeugungsgüter), die aber zur

völligen Nutzung in komplementären Mengen vorhanden sein müssen (z. B.

Ziegelsteine mit Sand, Kalk usw. zur Erbauung eines Hauses). — Der

Wertlehre

Mengers

liegt

dasselbe

„Gesetz

der

abnehmenden

Bedürfnissättigung“ zugrunde, welches später durch von Wieser nach einer

verschollenen Lehre

8

das „Gossensche Gesetz“ genannt wurde. Dieses besagt:

daß Teile einer Gütermenge innerhalb einer Bedürfnisperiode (z. B. die

Nahrungsaufnahme innerhalb einer Mahlzeit) v e r s c h i e d e n e n , und zwar

abnehmenden N u t z e n stiften, weil die fortgesetzte Befriedigung eine

abschwächende Wirkung auf das Begehren hat. Innerhalb jeder

Bedürfnisperiode wird jeder hinzukommende Akt

1

Carl Menger: Grundsätze der Volkswirtschaftslehre (1871), Bd 1, 2. Aufl.,

Wien 1923 (einziger Band, nach seinem Tode herausgegeben).

2

William Stanley Jevons: Theory of Political Economy (1871), 5. Aufl.,

London 1913, deutsch von Otto Weinberger: Die Theorie der Politischen

Ökonomie (1924), 2. Aufl., Jena 1929 (= SsM, Bd 23).

3

Leon Walras: Elements d’économie politique pure ou théorie de la

richesse sociale (1874—1877), 5. Aufl., Paris, Lausanne 1926; Théorie ma-

thématique de la richesse sociale, Lausanne 1883, deutsch unter dem Titel:

Mathematische Theorie der Preisbestimmung der wirtschaftlichen Güter,

Stuttgart 1881; Theorie de la monnaie, Lausanne 1886, deutsch von Richard

Kerschagl und Stephan Raditz: Theorie des Geldes, Jena 1922.

4

Hermann Heinrich Gossen: Entwicklung der Gesetze des menschlichen

Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln,

Braunschweig 1854, 3. Aufl., Berlin 1927. — Vgl. Carl Menger: Grundsätze der

Volkswirtschaftslehre, Bd 1, 2. Aufl., Wien 1923.

5

Daniel Bernoulli: Specimen theoriae novae de mensura sortis, Petersburg

1738, deutsch von Alfred Pringsheim unter dem Titel: Versuch einer neuen

Theorie der Wertbestimmung von Glücksfällen, Leipzig 1896.

6

Bruno Hildebrand: Die Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft,

Frankfurt am Main 1848, S. 318 ff., Neudruck Jena 1922.

7

Siehe oben S. 137 f. und unter „Die mathematische Schule“ unten S. 218 f.

8

Siehe oben S. 199.