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G a n z h e i t betrachtet und verständlich werden könne. Damit
ist viel gewonnen. Aber wie weit kann doch auch in den ganz-
heitlichen Sinnzusammenhang, in den Sinngehalt der Natur ein-
gedrungen werden? Diese Frage ist, wie wir wissen, das heißt,
wie sich aus unserer Erkenntnis der Ausgliederungsordnung und
dem für sie bezeichnenden Begriffe „vermittelt“ ergibt, nur in sehr
bedingtem und beschränktem Sinne zu bejahen. Dasjenige ganz-
heitliche Verfahren, das den Sinn- und Leistungszusammenhang
der Glieder erschließt, inhaltlich erkennt, also über die formalen
Gefügeanalysen hinausgeht, kann nur eine geringe, gewisser-
maßen periphere Anwendung finden. Diese ganzheitliche Er-
forschung der Natur kann auch nicht die abgeleiteten Ganz-
heitsverfahren, nämlich die T e l e o l o g i e , das heißt die
Erforschung / der Natur nach Zwecken, noch die S y m b o l i k ,
das heißt ihre sinnbildliche Darstellung, durchgängig anwenden,
also nicht zu einer planmäßigen Ergänzung, sondern nur stell-
vertretend und ausnahmsweise heranziehen. Da die Übertragung
des Wesens der Dinge in das Räumliche nur eine Ebenbildlich-
keit fremder Ebene ergibt, bleibt auch die sinnbildliche und
teleologische Ergänzung des echten ganzheitlichen Verfahrens
nur Stückwerk.
Wie die Geschichte der Naturwissenschaften seit Galilei und
Newton beweist, bietet sich dagegen das Verfahren der mecha-
nischen Ursächlichkeit und der mathematischen Darstellung als
erfolgreiches dar — jedoch nur in seiner Weise. Dem wahren
Wesen der Natur gegenüber hat es, wie wir schon erkannten,
nur den Wert einer Unterstellung, eines „Verfahrens als ob“.
Denn die Natur ist kein Mechanismus, in ihr herrscht keine tote,
blinde Ursächlichkeit.
Wenn nun weder das echt ganzheitliche noch auch das ur-
sächlich-mechanische Verfahren das Wesen der Sache trifft, so
muß ein Weg eingeschlagen werden, auf dem sich beide Ver-
fahren, trotz ihrer Gegensätzlichkeit, miteinander verbinden. Es
ist der, einerseits das Ursächlich-Mechanische nur als Unter-
stellung gelten zu lassen und auch nur in diesem Sinne (nicht in
dem einer Wesenserklärung der Natur) anzuwenden; andrerseits
das überstoffliche und überräumliche Wesen der Natur dort zu
erfassen, wo es uns zugänglich ist.