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rein materialistischer Auffassung der Wirtschaft (die Mengers sonst
immateriellem Gutsbegriff übrigens widerspricht). Ein Meter Tuch kann
allenfalls noch auf Mengen von Webstuhl, Spinnmaschine, Schafwolle und so
fort zurückgeführt werden; aber die geistigen Leistungen, die in Schafzucht,
Spinnerei, Weberei und so fort in Form von Erfindergedanken,
Züchterleistung, Kapital höherer Ordnung
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hervorbringend mit- wirken,
können infolge ihrer Unverbrauchlichkeit nicht eindeutig mengenhaft
bestimmt werden; daher ist ein eindeutiges „Grenzprodukt“ aller dieser
Kostengüter nicht bestimmbar. Praktisch wäre übrigens der „Grenznutzen des
Grenzproduktes“ bei den meisten Kostengütern f a s t N u l l , sofern nämlich
mit ihnen stets auch wenig nützliche Güter hergestellt werden. D e m n a c h
m ü ß t e n d i e P r e i s e a l l e r G ü t e r d e r N u l l z u s t r e b e n d e
G r ö ß e n s e i n .
f.
Kosten
Endlich widerspricht die Zerreißung der Güter in Genuß- und Kosten-
güter, das heißt die Leugnung aller Selbständigkeit der Kosten durch die
Ableitung ihres Wertes von den Früchten, der Wirklichkeit. Die Kosten sind in
Wahrheit nur Vorstufen der Genußgüter, der gesamte Gliederbau der
Leistungen (Güter) ist eine E i n h e i t ! Darum leiten die Früchte ihren Wert
ebensogut von den Kosten, wie die Kosten von den Früchten ab. Es besteht
zwar ein V o r r a n g der Früchte, aber keine Alleinwertigkeit.
g.
Nachfrage
Ähnlich wie bei Smith-Ricardo wird auch bei Menger und Böhm die auf
dem Markte auftretende N a c h f r a g e (Kaufkraft) nicht wirtschaftlich
erklärt; sie wird im besten Falle psychologisch, nicht aber als aus
wirtschaftlichen Bedingungen bestimmt aufgezeigt. Die Nachfrage wird
ebenso als vom Himmel heruntergeschneit angesehen wie das Angebot (das ist
die Erzeugung) der M a r k t daher, wie gezeigt, desgleichen als ein gefügeloser
atomistischer Haufen behandelt. „Der Preis wird vom Anfang bis zum Ende
durch subjektive Wertschätzungen bestimmt“, sagte Böhm-Bawerk.
4 . V e r t e i l u n g s l e h r e
Der unrichtigen Wert- und Preislehre entspricht auch eine unrichtige
Verteilungslehre.
Mit dem Begriff des Grenzwertes und dem Gossenschen Gesetz ist auch
jener der „ G r e n z p r o d u k t i v i t ä t “ und damit die Lohnlehre ebenso wie
der Rentenbegriff hinfällig
2
. Es war ein Verhängnis, / daß die niedrige
„Grenzproduktivität“ für die Masse der ungelernten Arbeit p r a k t i s c h z u
d e m s e l b e n E r g e b n i s k o m m e n m u ß t e w i e d a s e h e r n e
L o h n g e s e t z R i c a r d o s !
Die Produktionsfaktorenlehre ist bei den Grenznutzlern dieselbe wie bei
den Klassikern (wo sie aber infolge der wertbildenden Bedeutung
1
Siehe unten S. 220.
2
Siehe oben S. 105 f.