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der „Produktionsumwege“, die bei der Hervorbringung eingeschlagen werden.

Man kann z. B. Wasser entweder mit der hohlen Hand schöpfen oder den

Umweg wählen, eine Wasserleitung zu bauen. Das Beschreiten der

Erzeugungsumwege hat den Vorteil, ein größeres Ergebnis zu erzielen oder

ein solches Gut, das ohne den „Umweg“ überhaupt nicht zustande gekommen

wäre. („Gesetz der Mehrergiebigkeit der Produktionsumwege“.)

Den höheren subjektiven Wert (daher auch Preis) der Gegenwartsgüter

bewirken drei Gründe: die Knappheit der Mittel in der Gegenwart, aus

welchem Titel den gegenwärtigen Gütern stets ein Vorzug vor künftigen

eingeräumt wird, und weshalb auch auf dem Markt das Angebot an

Gegenwartsgütern stets hinter der Nachfrage zurückbleibt; die regelmäßige

Unterschätzung des künftigen Bedarfes; und endlich ein technischer Grund:

daß die ergiebigsten Erzeugungsweisen jene sind, bei denen zeitraubende

Umwege stattfinden. Die Verfügungsgewalt über g e g e n w ä r t i g e Güter

gewinnt dadurch erhöhte Bedeutung. — Indem aus diesen drei Gründen die

gegenwärtigen Güter einen höheren Preis erlangen als die künftigen, so folgt

daraus, daß, wer jetzt schon Güter zur Verfügung stellt, an Zukunftgütern

nicht nur das gleiche, sondern noch ein Mehr, dafür zurückerhält — den Zins:

Der K a p i t a l z i n s i s t d a s A u f g e l d , d a s f ü r d i e

G e g e n w a r t s g ü t e r g e z a h l t w i r d („Agiotheorie“). Ergeben z. B. die

Erzeugungsmittel eines landwirtschaftlichen Betriebes in einem Jahr 100

Zentner Getreide, so ist der Wert gleich diesen nächstjährigen Zentnern; aber

ebenso wie diese letzteren selbst nur 95 Zentnern g e g e n w ä r t i g e n

Getreides in ihrem Werte gleichen, so haben auch jene Betriebsmittel nur den

Wert 95. Während des Fortschreitens der Erzeugung reift aber die

Zukunftware schrittweise zur Gegenwartsware aus und wächst so schließlich

in ihren Vollwert hinein. Dieser Zuwachs ist der Kapitalgewinn oder Zins. —

Das gleiche Wertwachstum von Gegenwarts- und Zukunftsgut findet auch

beim Kredit statt. Darlehen bestehen nach Böhm-Bawerk aus einem Tausch

gegenwärtiger gegen künftige Güter, n i c h t a b e r i n e i n e r p a c h t -

o d e r

m i e t a r t i g e n

z e i t w e i l i g e n

Ü b e r l a s s u n g

v e r t r e t b a r e r G ü t e r , wie die herkömmliche Auffassung will. 100

gegenwärtige Gulden wachsen in 105 nächstjährige hinein. Die 5 Gulden Zins

sind der ergänzende Teil des in künftigen Gütern bemessenen Preises der

gegenwärtigen.

Wo finden die Umsätze zwischen Gegenwarts- und Zukunftsgütern statt?

Die Unternehmer verfügen in ihren Geldkapitalien über Gegenwartsgüter

(Genußgüter für die Arbeiter), die Arbeiter in ihrer Arbeitskraft über

Zukunftsgüter. Der Kapitalist ist ein Händler, der Gegenwartsware, der

Arbeiter ein Händler, der Zukunftsware feil hat.

Die H ö h e d e s Z i n s e s unterliegt nach Böhm-Bawerk folgendem

Gesetz: Der Zins wird um so höher stehen, je kleiner der Genußgütervorrat

einer Volkswirtschaft ist (was nämlich nur kurze, unergiebige

Produktionsumwege ermöglicht), um je höher daher die Mehrerträgnisse sind,

die sich an / eine Verlängerung der Umwege anknüpfen. Kurz gesagt: Die

Höhe des Zinses hängt vom „Mehrerträgnis der letzten Pro-

duktionsverlängerung“, das ist von der Grenzproduktivität des Kapitals,