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der Arbeit einen besseren Sinn hatte
1
). Sie ist also grundsätzlich falsch.
Der „Gesamtwert“ beruht auf einem verkehrt gestellten Problem. Denn
ein „Vorrat“ erhält weder durch Summierung der einzelnen Nutzungen der
Teilmengen noch durch Multiplikationen des Grenznutzens aller Teilmengen
seinen Wert: er erhält ihn lediglich aus dem höheren Ganzen heraus, dessen
G l i e d er ist. Werte und Preise können nicht von unten hinauf (durch
Zusammenzählung), sondern nur von oben herab (durch Ausgliederung)
erklärt werden, also vom jeweilig höheren Wirtschaftsganzen her — zuletzt
der ganzen Volks- und Weltwirtschaft.
Die Zurechnung endlich ist gleichfalls atomistisch und von unten her-
herauf versucht worden. Das Verlust-Verfahren Mengers ist folgerichtig, aber
wirklichkeitswidrig, daher von Wieser mit Recht abgelehnt. Seine eigene
Lösung läuft jedoch zuletzt auf eine gewöhnliche Kostenrechnung hinaus, wie
sie ähnlich in jeder Kalkulation des Geschäftsmannes erscheint. Eine
Kostenrechnung ist aber keine Werterklärung. Abgesehen davon, übersieht
Wiesers Verfahren, daß sich mit der Änderung einer einzigen Unbekannten
alle übrigen zugleich ändern. Keine Größe ist in der Wirtschaft atomistisch
gegeben, alle erschaffen sich erst gegenseitig! Was aber nicht für sich gegeben
ist, kann man weder als einzelne Größe für sich variieren, noch ihnen als
einzelnen zurechnen. Da in Wahrheit jede Leistung nur vollzogen wird,
indem sie zugleich die Gegenleistungen empfängt (z. B. der Eisendreher die
Leistung des Heizers) — und dabei zugleich andere Leistungen auswirkt (z. B.
der Eisendreher die Leistung des Erfinders und Organisators), ist die
Aussonderung des Ertragsanteiles einer e i n z e l n e n Leistung wesenswidrig.
(Den gleichen Fehler macht die Forderung des „Rechtes auf den vollen
Arbeitsertrag“.) Eine Zurechnung könnte also — wenn man diesen Namen
schon beibehalten will — nur von oben herunter geschehen, die einzelnen
„Größen“ müssen als G l i e d e r eines Ganzen betrachtet werden. Dann aber
gilt, wie ich an anderer Stelle zeigte, nicht der Begriff eines
v e r s c h i e d e n e n „produktiven Beitrages“ der einzelnen leistenden
Elemente (der technisch bleibt), sondern jener des gleichen Beitrages, der
G l e i c h w i c h t i g k e i t oder Äquipollenz
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. — Ferner klafft zwischen
„Zurechnung“ und Marktpreislehre der Grenznutzler ein Riß, da die letztere
auf dem Zusammentreffen subjektiver Wertschätzungen beruht, die erstere
dagegen doch immerhin schon gegebene Gesamtheiten (wie z. B. Vorräte)
zum Gegenstand hat.
Während die Verteilungslehre der Klassiker durch den objektiven
Kostengedanken (Arbeitsgehalt) eine gewisse Einheit erhielt, kann die
Mengerschule, indem sie das Volkseinkommen als Aggregat von Einzel-
einkommen mit ihren verschiedenen Grenznutzungen auffaßt (welche /
Einkommen sich durch Preisbildung aus Zusammentreffen subjektiver
Wertschätzungen ergäben), zu gleicher Einheit nicht gelangen.
Aus allen diesen Gründen hat die Grenznutzenlehre zum Teil zu
unfruchtbaren Scheinproblemen und leerer Sophistik geführt. Der
Gründer der Schule, Carl Menger, ein seinen Schülern über
1
Siehe oben S. 106.
2
Siehe oben S. 63, unten S. 222.