Table of Contents Table of Contents
Previous Page  700 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 700 / 9133 Next Page
Page Background

214

[187/188]

Die Produktivitätslehre ist am meisten verbreitet und besonders durch

Thünen ausgebildet. Gegen ihren Grundgedanken, daß die mit Kapital

unterstützte Arbeit eine größere Menge / von Erzeugnissen erziele, w e n d e t

B ö h m - B a w e r k e i n : So werde wohl die s t o f f l i c h e Mehrergiebigkeit

des Kapitalgebrauches erklärt, aber nicht die Mehrerzeugung von Werten,

nicht auch ein höherer Wert der Erzeugnisse, in welchem allein der Zins

enthalten ist. Warum ist denn, so fragt er, das Kapitalstück nicht so viel wert

als das erwartete Erzeugnis selbst? — da doch nach der Grenznutzentheorie

das Kapital oder Kostengut seinen Wert von den Früchten empfängt

1

; warum

denn weniger, so daß das Kapital p r o d u k t höheren Wert hat und mithin ein

Zins entsteht?

Dieser Einwand (der übrigens mit Ricardo zusammentrifft

2

) ist deswegen

hinfällig, weil Mengers Kostenbegriff, der die Kosten als selbständiges Element

nicht gelten läßt, selber unrichtig ist. Ein Wertüberschuß bei gestiegener

Fruchtbarkeit ist sehr wohl möglich, aber allerdings nur die Voraussetzung

dafür, daß ein Zins gezahlt werden kann, noch nicht der wirksame Grund

dafür, daß er gezahlt wird. Es fragt sich aber, warum gerade für die Leihe des

Kapitals etwas gezahlt wird? Daher sucht die universalistische Lehre des

Verfassers einen arteigenen Grund für den Leihzins n e b e n der

Kapitalsfruchtbarkeit als solcher (die nur V o r b e d i n g u n g bleibt). Nach

der u n i v e r s a l i s t i s c h e n A u f f a s s u n g liegt der Grund des Zinses

(1)in jener n e u e n F r u c h t b a r k e i t , die durch Stiftung einer neuen

Wirtschaftsgemeinsamkeit (das heißt Wirtschaftserweiterung) mittelst des

Kredites entsteht

3

;

(2)in der V o r r a n g s t e l l u n g der hinausleihenden vor der herein-

leihenden Wirtschaft, allgemein: des Kredites vor der Erzeugung, deren Leiter

der Kreditgeber in gewissem Sinne wird.

Kapitalzins für Verbrauch beruht dagegen auf einem Wirtschaftsfehler.

Die mittelalterlichen Zinsverbote hatten den guten Sinn, teils diesen

Wirtschaftsfehler zu verhindern, teils das Entstehen kapitalistischer

Wirtschaftsformen zu erschweren.

XII. Die gegenwärtige Volkswirtschaftslehre

4

A.

Einige neuere Richtungen

1. D i e r e a l i s t i s c h - b e s c h r e i b e n d e R i c h t u n g

Eine Fortbildung der neueren geschichtlichen Schule ist die

1

Siehe oben S. 202 f.

2

Siehe oben S. 99 f.

3

Siehe oben S. 45 ff.

4

Vgl. dazu E d g a r S a l i n : Die deutsche volkswirtschaftliche Theorie

im 20. Jahrhundert, in: Zeitschrift für schweizerische Statistik und

Volkswirtschaft, Bd 57, 1, Bern 1921. — T h e o S u r á n y i - U n g e r : Die

Entwicklung der theoretischen Volkswirtschaftslehre im ersten Viertel des 20.

Jahrhunderts, Jena 1927, englische Ausgabe New York 1931. — Vgl. auch

meinen Vortrag: Die Krisis in der Volkswirtschaftslehre, München 1930.