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ab. (Fast wörtlich so schon bei T h ü n e n , wo aber das „Mehrerträgnis“
allerdings nicht denselben Sinn hat
1
.)
2 .
B e u r t e i l u n g d e r L e h r e B ö h m - B a w e r k s
Der Grundgedanke der Zinstheorie Böhm-Bawerks (den Menger vor ihm
aussprach, aber dann fallen ließ), daß die Zukunftsgüter in ihrem Werte hinter
den Gegenwartsgütern Zurückbleiben, ist nicht richtig. Denn die richtige
Wirtschaftsrechnung stellt Zukunftsgüter genau nach dem voraussichtlichen
Verwendungsplan ein; sie weiß auch, daß später die „Zukunftsgüter“ ebenso
knapp sein werden wie jetzt die „Gegenwartsgüter“ (man denke an den
Überschlag des Bauern, z. B. wenn er die Ernte in Saatgut und Verbrauchsgut
scheidet). Es liegt also schon im Begriff des Wirtschafts p l a n e s ,
Zukunftsgüter nicht zu unterschätzen! Die Unterschätzung der Zukunft findet
sich nur beim s c h l e c h t e n Wirte, das heißt bei u n r i c h t i g e r Wirtschaft!
Böhm- Bawerk erklärt daher den Zins in Wahrheit — aus einem Wirtschafts-
fehler. Eine zweite Schwierigkeit ist, daß der Grundgedanke der Unter-
schätzung des Zukunftsgutes nur beim Zins für Verbrauchsdarlehen (bei
welchen Gegenwarts-Genußgüter gegen Zukunfts-Genußgüter gegeben
werden) ausreichen könnte; beim Zins für Produktivgüter aber wird, genau
genommen, kein Gegenwartsgut (= Genußgut), sondern nur ein Zukunftsgut
(nämlich ein u n r e i f e s Gegenwartsgut, z. B. eine Maschine) geliehen — das
also selber unterschätzt werden müßte, ganz besonders dann, wenn es wieder
keine Genußgüter, sondern (z. B. in einer Maschinenfabrik) wieder nur
Zukunftsgüter erzeugt! (In den „drei Gründen“
2
sind reife Gegenwartsgüter und
unreife Gegenwartsgüter, das heißt Zukunftsgüter, durcheinander gemischt.)
Böhm-Bawerks Zinserklärung wurde allgemein abgelehnt. Seine Erklärung
der Zinshöhe widerspricht der Wirtschaftsgeschichte und Erfahrung.
3 . D i e w i c h t i g s t e n Z i n s t h e o r i e n
4 .
außer der Agiotheorie sind:
(1)die Produktivitätstheorie, die den Zins aus der Ergiebigkeit des Kapitals
ableitet;
(2)die Nutzungstheorie, die neben der Produktivität noch eine Nutzung
(Pacht) annimmt (z. B. Menger);
(3) die Ausbeutungstheorie Marxens, die den Zins als eine Form des
Mehrwertes, welcher der Ausbeutung entspringt, erklärt;
(4) die „dynamische Theorie“ Schumpeters, die (eine verkappte Pro-
duktivitätslehre) Zins und Untemehmergewinn aus dem wirtschaftlichen
Fortschritte erklärt.
(5)Die Enthaltsamkeitstheorie sieht im Zins eine Vergütung dafür, daß der
Sparer sich des Verbrauches der Ersparnisse enthalte (Senior);
(6) Für Cassel ist der Zins ein Preis für „Kapitaldisposition“ (ähnlich schon
Schäffle).
(7)Die Wagnistheorie, welche den Zins als Prämie für die Unsicherheit der
Rückzahlung (als „Risikoprämie“) ansieht.
1
Siehe oben S. 137 f.
2
Siehe oben S. 212.