Table of Contents Table of Contents
Previous Page  703 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 703 / 9133 Next Page
Page Background

[190/191]

217

als von der „sozialen Form“ bestimmt dar. Soziales Leben ist nach Stammler

„geregeltes“, „geformtes“ Leben. Hecht sei die F o r m , Wirtschaft der

I n h a l t des sozialen Lebens. Das V e r f a h r e n der Volkswirtschaftslehre sei

infolge

dieser

bestimmenden

Bedeutung

der

Rechtsordnung

normativ-teleologisch. Es konnte danach keine von der Rechtsordnung

unabhängige Wirtschaftsgesetze, sondern nur geschichtlich-rechtliche

Kategorien geben. Stammler führte damit zum ersten Male neu- kantische

Gedanken in die Rechtslehre, mittelbar auch in die Wirtschaftslehre ein.

4.

Die n e u l i b e r a l e R i c h t u n g

Daß es eine neuliberale Richtung überhaupt noch gibt, trotzdem sich

alle Schulen Ricardos theoretisch als unfruchtbar erwiesen, ja daß sie noch

nach 1918 in Deutschland mächtig vordrang, ist der deutlichste Beweis

dafür, wie sehr unsere Wissenschaft noch die Sprache des 18. Jahrhunderts

spricht.

Neuliberal ist die Grenznutzenlehre

1

. — Außerhalb der Grenznutzenlehre

trat nach dem Ersten Weltkriege hervor: der Schwede G u s t a v C a s s e l

2

,

dessen Lehrbuch im Reiche großen Einfluß gewann und der ohne Werttheorie

von dem „Knappheitsprinzipe“ aus auf mathematischem Wege die

Preisbildung durch ein Gleichungssystem zu erklären unternimmt. Die

Casselischen Gleichungen vermitteln aber keine Erkenntnis, sondern drücken

nur jenen allgemeinen Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage

einerseits und dem Preise andererseits aus, der schon vorausgesetzt wird. Diese

Gleichungen sind Tautologien. — F r a n z O p p e n h e i m e r suchte mit

einem „liberalen Sozia- / lismus“ eine vermittelnde Stellung einzunehmen

3

. —

A d o l f W e b e r (München) versucht seine liberale Theorie, die in allen

Hauptpunkten Ricardo folgt, mit Thomismus zu verbinden. — Von Früheren:

H e i n r i c h D i e t z e l

4

. — Zwiespältig erscheint A l f r e d A m o n n s

Stellung zu Ricardo. Einerseits trat er als sein schärfster Kritiker auf

5

,

andererseits fordert er dennoch Rückkehr zu ihm. In seiner

„Volkswohlstandslehre“ (1926) will er die alte formale Tauschtheorie noch

retten und neben die universalistische Lehre des Zusammenhanges von Mittel

und Ziel stellen. — Dazu J o s e p h A l o i s S c h u m p e t e r , F r i e d r i c h

A . v o n H a y e k , W i l h e l m R ö p k e

6

und die Grenznutzler.

Uber die neuere abstrakte Richtung oder „reine Theorie“ siehe oben Seite

188.

1

Siehe oben S. 206.

-

Gustav Cassel: Theoretische Sozialökonomie (1918), 5. Aufl., Leipzig

1932.

3

Vgl. Alfred Amonns Kritik über Oppenheimer in der Zeitschrift für

Volkswirtschaft und Sozialpolitik, Bd 5, Wien 1925. — Vgl. oben S. 206.

4

Heinrich Dietzel: Theoretische Socialökonomik, Leipzig 1885.

5

Alfred Amonn: Ricardo als Begründer der theoretischen National-

ökonomie, Jena 1924; Grundzüge der Volkswohlstandslehre, Bd 1, Jena 1926.

6

Siehe oben S. 188.