228 [200]
wurden, möge zur Ergänzung noch eine kurze Darstellung hier Platz
finden.
1 .
Die Ge 1 d t h e o r i e n
1
a.
Geldwesenlehren
R i c a r d o nahm in der Wesenserklärung des Geldes eine zwiespältige
Stellung ein. Einerseits erblickt er den Wert des Geldes in der darin
enthaltenen Arbeit (den Erzeugungskosten samt der Fracht vom Erzeu-
gungsort), womit Geld als Metallstück, als Ware wie jede andere aufgefaßt
wird; andererseits sah er ihn, wie vor ihm Hu me und andere durch die jeweils
vorhandene Menge direkt proportional bestimmt, so daß z. B. bei doppelter
Geldmenge
alle
Preise
auf
das
Doppelte
steigen
—
die
„ Q u a n t i t ä t s t h e o r i e “
2
. Danach müßte also eigentlich das Geld aus
seiner Tauschmittelverrichtung, nicht aus seiner Warennatur begriffen
werden, denn der Wert der Waren könnte sich nach der objektiven Wertlehre
nicht dauernd mit ihrer Vermehrung ändern. — Dieser quan-
titätstheoretischen Auffassung erschien infolge der preissteigernden Wirkung
der Geldvermehrung auch die merkantile H a n d e l s b i l a n z t h e o r i e
absurd, denn der vermehrten Geldmenge entspräche volle Preissteigerung,
dieser wieder vermehrte Einfuhr von auswärts und damit Abfluß des Geldes
3
.
Hier zeigt sich die H a u p t f r a g e d e r G e l d t h e o r i e . Der Umstand
nämlich, daß das Geld keinesfalls eine Ware wie jede andere, sondern eine
durch seine Verrichtung ausgezeichnete Ware ist, das heißt ein bloßes
Vermittlungsgut, läßt es fraglich erscheinen: ob und wieweit das Geld
überhaupt an eine Ware, das Metall, gebunden ist oder nicht? Jene Ansicht,
welche dies bejaht, heißt „Metallismus“, jene, welche es verneint, pflegt man
jetzt „Chartalismus“, mit einem wenig glücklichen Worte auch den
geldtheoretischen „Nominalismus“, zu nennen.
α. Der Metallismus sieht das Wesen des Geldes in seiner Warennatur
(daher auch allgemeiner „Warentheorie“ genannt). Geld sei entstanden aus der
fortschreitenden Arbeitsteilung durch Annahme der absatzfähigsten Ware
4
,
daher Geldgebrauch „indirekter Tausch“. — Der reine Metallismus schließt
zweifellos eine atomistisch-individualistische Denk-
1
Aus dem großen Schrifttum heben wir hervor: Fritz Ottel: Ständische
Theorie des Geldes, Jena 1934; Eduard Lukas: Aufgaben des Geldes, Stuttgart
1937.
2
Vgl. David Ricardo: On the Principles of Political Economy and Taxation
(1817), 3. Aufl., London 1821, deutsch: Grundsätze der Volkswirtschaft und
Besteuerung (1905), herausgegeben von Heinrich Waentig (= Sammlung
sozialwissenschaftlicher Meister, Bd 5), 3. Aufl., Jena 1923; The High Price of
Bullion, a Proof of the Depreciation of Bank Notes (1810), 4. Aufl., London
1811, deutsch von Mombert in: Karl Diehl und Paul Mombert: Ausgewählte
Lesestücke zum Studium der politischen Ökonomie, Bd 1, 4. Aufl., Jena 1923.
3
Siehe oben S. 25. Weiteres über die Quantitätslehre unten S. 232 ff.
4
Wie oben, S. 24, dargestellt.