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Gleichung steht. Denn G . U ist freilich die Summe aller Preise. Ferner ist die
„Umlaufsgeschwindigkeit“ als / mathematische Größe in Wahrheit nicht
faßbar. Wenn z. B. zur Bewältigung eines Spitzenverkehrs (etwa zum Ultimo
auf der Börse) die Geldmenge nicht ausreicht, was bedeutet es da, ob in der
Zwischenzeit das Geld öfter oder seltener die Hände gewechselt hat?
Der Grundgedanke jeder Quantitätstheorie ist unrichtig. Denn sie faßt die
Geld m e n g e fälschlich als eine selbständige, ursprüngliche Größe und setzt
ihr ebenso selbständig und ursprünglich die Güter- m e n g e entgegen.
Angeblich soll eine g e g e b e n e Geldmenge eine g e g e b e n e Gütermenge
kaufen. G e l d u n d G ü t e r w e r d e n a b e r e r s t a n e i n a n d e r
1
,
wobei die Gliedstellung der Leistungen das Erste, die Menge nur das
Abgeleitete ist. Das Geld ist nicht als neutrales Tauschgut, ist nicht nach der
Formel W — G — W
2
zu bestimmen; vielmehr ist Geld m i t g e s t a l t e n d
an der Erzeugung der Gütermengen. Hieran scheitert jede Quantitätstheorie!
Nichts ist je für sich „gegeben“ in der Wirtschaft; alles wird erst aneinander,
wird erst gegenseitig. In dieser Gegenseitigkeit hat aber das Geld eine
führende, eine s c h ö p f e r i s c h e Rolle.
Ebenso ist jeder Versuch einer „Stabilisierung der inneren Kaufkraft des
Geldes“ vom organischen Standpunkte aus wesenswidrig. Denn kein Glied
kann in einem lebendigen Gliederbau „stabil“ bleiben. Völlig „stabiler“
Geldwert hieße Stillstand der Wirtschaft, hieße totes Leben, hölzernes Eisen.
β. Vom universalistischen Standpunkte des Verfassers aus ist der
Quantitätstheorie eine Theorie der Preisverschiebung und der Ausströ-
mungswege entgegenzustellen. Ein allgemeiner Fehler jeder Quantitätstheorie
liegt zunächst darin, daß sie bei Verdoppelung der Geldmenge auch eine
Verdoppelung der Nachfrage nach a l l e n Waren annimmt. In Wahrheit
würden aber in solchem Falle einige Waren um ein Vielfaches steigen, andere
sinken. Es wird notwendig ein U m b a u in der Nachfrage und Erzeugung,
damit aber eine Veränderung der Verhältnismäßigkeit der Preise
untereinander, der sogenannten Preisrelationen, das heißt eine
P r e i s v e r s c h i e b u n g , eintreten
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. Und dieser Umbau wird sich je nach
der Art der Geldvermehrung, das heißt je nach der Geldverwendung oder, wie
wir sagen wollen, je nach dem A u s s t r ö m u n g s w e g e des Geldes völlig
anders gestalten. Und zwar wird die Ausströmung entweder vornehmlich auf
die Vermehrung der E r z e u g u n g s g r u n d l a g e hindrängen (so war es bei
der Inflation während der beiden Weltkriege); oder auf eine Vermehrung des
V e r b r a u c h e s (so war es größtenteils bei der Inflation nach dem
Umsturze von 1918). Im ersteren Falle herrscht im Bereiche der Erzeugung
Bargeldüberfluß, daher Ausschaltung des Kredites, unter verhältnismäßige
Preissteigerungen; im letzteren Falle herrscht im Bereiche des Verbrauches
Bargeldfülle, der
1
Siehe oben S. 210.
2
Siehe oben S. 172.
* Vgl. meine Arbeiten: Theorie der Preisverschiebung, Wien 1913; Vom
Wesen der Papiergeldvermehrung, in: Kämpfende Wissenschaft, Jena 1934, S.
61 ff.