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Odin — Ich selbst mir selbst..."

1

) — das liegt durchaus im Bereich

des mystischen Erlebens, wird aber allerdings erst durch nachträg-

liche Schlußfolgerung näher ausgestaltet.

Daß einem solchen Gott auch W e i s h e i t , D i c h t u n g ,

S c h r i f t k u n d e untersteht, ist nicht verwunderlich.

Lassen wir es nun mit dieser Ableitung (die noch weitergeführt

werden könnte) genug sein und fragen wir nach der g e s c h i c h t -

l i c h e n B e w ä h r u n g unserer Erklärung der Göttergestalten

und der vielfachen Gliedhaftigkeit ihrer Grundwesenheiten, so fin-

den wir sie bei allen hohen Göttern mit ausgebildeter Mythologie.

Jedoch würde das weit ausgreifende Darstellungen verlangen. Wir

begnügen uns daher mit einigen Hinweisen.

Da ist zunächst W o t a n . Seine Gestalt, seine Stellung, sein Kult wird mit

einem Schlag verständlich, wenn man ihn als den Gott der Ekstase faßt, worauf

ja auch schon sein Name deutet (mittelhochdeutsch: wuot Wut, das Außersich-

sein); und wie ihn schon Adam von Bremen kennzeichnet: „Wodan, id est

furor“

2

. Auch der viele Zauber, der ihn umgibt, weist darauf hin, wobei / man

nur an das Wilde Heer — wütende, das ist ekstatische Heer — zu denken hat.

Daß uns Wotan, der oberste Gott, als Schöpfer und doch auch als Totengott,

daß er uns zugleich als Gott des Lichtes, als Gott der Wanderer entgegentritt,

daß er zum Himmel (damit auch zu Wind und Sturm) aber auch zum Mond

Beziehungen hatte, daß er als Kriegsgott besondere Bedeutung erlangte, überdies

der Gott der Runen, also der Weisheit war — all das kann uns nunmehr nicht

überraschen. Denn alle diese Beziehungen liegen im Wesen der Sache selbst, in

der Ekstase.

Ein anderes Beispiel bietet Gott S o m a o d e r I n d u des Rigveda. Es ist

für uns deswegen besonders wertvoll, weil in diesem Fall im Namen schon die

Grundwesenheit des Gottes bezeichnet ist. Denn Soma ist bekanntlich der alt-

indische Rauschtrank, welcher Zustände der Verzückung herbeiführt. Nach Alfred

Hillebrandt, welcher dem Soma die gründlichsten Untersuchungen widmete

3

, ist

Soma, der Gott des Rauschtrankes, zugleich: Mondgott (Indu das ist Mond),

ferner Totengott („mit den Manen vereint“)

4

, ferner Kriegsgott, ferner Him-

melsgott mit Waffen und Blitzen in der Hand

5

; er ist ein Kenner aller Geheim-

nisse und an verborgener Weisheit reich. Der Veda rühmt ihn als Braham unter

den Göttern, „als Pfadführer unter den Dichtern, als Riese (Urweiser) unter den

1

Edda, deutsch von Felix Genzmer, Bd 2, Jena 1920, S. 170 f.

2

Vgl. Otto Höfler: Kultische Geheimbünde der Germanen, Frankfurt am

Main 1934, S. 329 und öfter. Höfler stellt vor allem das Ekstatische des Toten-

dienstes richtig in den Vordergrund.

3

Alfred Hillebrandt: Vedische Mythologie, Bd 1, 2. Aufl., Breslau 1927, be-

sonders S. 282 ff.

4

Alfred Hillebrandt: Vedische Mythologie, . . . S. 288 und 365 ff.

5

Alfred Hillebrandt: Vedische Mythologie, .. . S. 287.