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Erzeugung hingegen Bargeldmangel, daher Kreditinanspruchnahme, über-
verhältnismäßige Preissteigerung der Verbrauchsgüter. (Die erfolgreiche Art
der Arbeitsfinanzierung durch S c h a c h t seit 1933 bestätigt gleichfalls die
Lehre von den Ausströmungswegen.) — Nicht die Menge des Geldes kommt /
also erstwesentlich in Frage, sondern: die E i g e n s c h a f t d e s G e l d e s ,
a l s U m g l i e d e r u n g s m i t t e l d e r W i r t s c h a f t z u w i r k e n , i s t
d a s W e s e n t l i c h e ! Auch hier gilt der Satz „Leistung ist vor Preis“
1
. In der
Art der Ausströmung liegt die dem Gelde zugedachte Leistung; erst
abgeleiteterweise kommen Menge und Umsatzzahl in Betracht. Diese
Gelderklärung bewährte sich nach beiden Weltkriegen. In ihr ist das
Mechanische der Quantitätstheorien überwunden; ein Qualitatives ist es nun,
das den Geldwert zuerst bestimmt. Irrig ist auch die Vorstellung eines
„allgemeinen“, das heißt überall gleichen Geldwertes. Jedes Geldstück hat in
seinem Leistungszweige (daher auch in verschiedenen Ländern) eine eigene,
unwiederholbare Kaufkraft
2
.
Als Gegner der Quantitätstheorie ist schon Adam Müller aufgetreten,
neuerdings die „staatliche Theorie des Geldes“.
c.
Geldverfassungslehren
Aus den Ansichten über Wesen und Wertbildung des Geldes folgen
notwendig solche über die Geldverfassung.
Dem strengen Metallismus und dem strengen Laisser-faire müßte ein
verfassungsloser Zustand entsprechen, in dem jeder nach Belieben die
verkehrsfähigste Ware, z. B. Gold, vorrätig hält. Das ist utopisch. Daher gehen
die neueren Lehren von der Quantitätstheorie aus. Die quantitätstheoretische
Auffassung wurde zur sogenannten „Currencytheorie“ (Ricardo, Samuel J.
Loyd, 1840, Irving Fisher, Cassel, Wicksell) fortgebildet, welche fordert, daß
Banknoten metallisch voll gedeckt seien, da die Vermehrung der Banknoten
ebenso preissteigernd wirke wie die Vermehrung der Metallgeldmenge.
Demgemäß kann die Bank durch Notenausgabe die Preise beliebig hochhalten.
Ihren gesetzlichen Niederschlag fand sie in den Peelschen Akten Englands von
1844 (aufgehoben 9. September 1931), welche Volldeckung der Noten mit
Ausnahme eines festen (damals Vorgefundenen, ungedeckten) Kontingentes
vorsahen. — Eine tiefere Auffassung, die schon bei Adam Müller vorgebildet
war, enthält die sogenannte Banktheorie („banking principle“
3
), die davon
ausgeht, daß die Vermehrung von „bankmäßig", das heißt gegen
Diskontierung von Warenwechseln, ausgegebenen Noten n i c h t wie die
Vermehrung von Metallgeld, also nicht preissteigernd, wirke, da der
Wirtschaftsvorgang (die Warenlieferung und Preisbildung) schon vor Ausgabe
der Noten vor sich gegangen sei. Sie fordert daher nicht volle, sondern nur
teilweise Metall
1
Siehe oben S. 224.
2
Über den äußeren Geldwert siehe unten S. 237 f.
3
John Fullarton: On the Regulation of Currencies, 2. Aufl., London 1945;
Thomas Tooke: An Inquiry into the Currency Principle, London 1844; Adolph
Wagner: Die Geld- und Kredittheorie der Peelschen Bankakte, Wien 1861,
Neudruck Essen 1920; System der Zettelbankpolitik, 2. Aufl., Wien 1873.