Table of Contents Table of Contents
Previous Page  7272 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 7272 / 9133 Next Page
Page Background

350

[318/319]

die alten Zeiten zurückkommen, um so mehr und ausschließlicher

finden sich jene Seelenzustände, welche als erhöhte, ekstatische,

mystische zu bezeichnen sind. Vom Höhlengleichnis Platons, wie

von seiner Ideenschau im Phaidros, welche ich beide als Bilder my-

stischer Versenkung nachwies

1

, bis hinauf zu den philosophischen

Hymnen des Rigveda und Atharvaveda sowie zum tibetanischen

Totenbuch

2

, das auf noch ältere Zeiten als das ägyptische Totenbuch

hinzuweisen scheint, ferner bis zu den altindischen Upanischaden

und ebenso bis zu den ältesten chinesischen Schriften, die in beson-

ders ferne Zeiten zurückdeuten, — überall finden wir Mystisches

und nur mystisch zu Verstehendes.

Und neben der Mystik steht hier überall die Magie, welche eben-

falls nur aus ekstatischen Zuständen verstanden werden kann, ob-

gleich es sich dabei um Ekstase niedriger Ordnung, nämlich ver-

strickt in irdische Gegebenheiten, um Beziehungen zur Materie,

handelt. Ein Zeugnis ältester Art bildet die schon steinzeitliche

S c h ä d e l - T r e p a n a t i o n , welche wohl magische Praktiken

bezeugt, aber zugleich mystischen Ursprungs ist. Sie hat denselben

Sinn wie die mystische Kopfgeburt (z. B. der Athene). Beide hän-

gen mit bestimmten mystischen Übungen (Yogaübungen) zusam-

men

3

.

Daß das Leben in den ältesten Zeiten einsam und still war, mag

ebenfalls geltend gemacht werden. Die Verkehrsschwierigkeiten, die

dünne Besiedlung (trotz sehr alter Verbreitung der Städte, wie z. B.

auch neuerdings „protoindische“ Ausgrabungen hoch entwickelte

Städte mit Kanalisation und Bauordnung im 3. Jahrtausend v. Chr.

zutage förderten

4

), bedingten es, daß sich das Leben in der Alten

Welt in ungleich größerer Abgeschiedenheit / abspielte. In Abge-

schiedenheit aber und Sammlung gedeiht das Mystische.

Alle diese Zeugnisse zusammengenommen sind freilich noch kein

strengen Beweise, weil ja die Menschheit in noch frühere Zeiten

1

Vgl. meinen Philosophenspiegel, Leipzig 1933, S. 169 f., 179 f. und 276

[2. Aufl., Graz 1970, S. 189 f., 201 f. und 310].

2

Walter Yeeling Evans-Wentz: The Tibetan-book of the dead, London 1946.

3

Vgl. die reichlichen Hinweise bei Herta Machold, siehe oben S. 240.

4

Bedrich Hrozny: Die älteste Geschichte Vorderasiens und Indiens, 2. Aufl.,

Prag 1943, S. 184 ff.