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Annahme einer bloß äußerlichen Urbeiehrung, Uroffenbarung An-

laß geben könnte. Wir sprechen vielmehr besser von einer U r -

m y s t i k , welche am Anfang der Religionsentwicklung steht.

Was wir damit vor allen anderen Theorien, die bis jetzt über

die Entwicklung der Religion aufgestellt wurden — sei es des

„Animismus“ oder des „Präanimismus“, sei es einer Fruchtbar-

keitsreligion oder einer totemistischen, einer astral-mythologischen

oder einer fetischistischen Urstufe — was wir vor all diesen Theo-

rien voraus haben ist: daß a u c h i n g e s c h i c h t l i c h e n

Z e i t e n u n d d a ß a u c h h e u t e n o c h d i e N e u g e b u r t

d e r R e l i g i o n s i c h i n d e r M y s t i k v o l l z i e h t .

Darum ist die Behauptung nicht zu kühn und leuchtet vielmehr

ein: daß jede Religion, die unter dem Niveau der Mystik steht,

g e s u n k e n e s K u l t u r g u t sein müsse. Wenn aber stets nur

wenige große mystische Führer da waren, dann sind wohl fast von

Anfang an die mehr äußerlichen und niederen Formen der Reli-

giosität neben den höchsten dagewesen. Das gesunkene Kulturgut

ist stets neben dem hohen und höchsten vorhanden, das Exoterische

neben dem Esoterischen.

Den Offenbarungstheoretikern aber sagen wir: Ist Offenbarung,

so ist sie durch die Mystik hindurch und nicht ohne Mystik, nicht

von außen her! Die Frage, ob dieser mystische Urmonotheismus

von Gott den Menschen „gelehrt“ worden sei, ist damit schon be-

antwortet. Sofern nämlich Gott durch Gott erkannt wird in der

Seele, Gott bei dieser inneren Erfahrung in der S e e l e wirkt,

wie Meister Eckehart sagt, „er wirkt und ich werde“

1

— steht

notwendig auch eine göttliche O f f e n b a r u n g an der Spitze

aller Religion. Ob aber besondere Veranstaltungen zu dieser Offen-

barung stattfanden, ob Gott auch noch in einem besonderen Sinn

den Menschen gelehrt habe — darüber können wir von unseren

Prämissen aus freilich nichts Bestimmtes aussagen, doch klingt das

mehr exoterisch. Die Urelemente dieser Religion aber: Gottver-

wandtschaft des Menschen, Unzerstörbarkeit der Seele, Einheit

des Seelengrundes und Weltgrundes, Persönlichkeit Gottes, Liebe

können wir uns aus / der mystischen Erfahrung mit Sicherheit

vergegenwärtigen. Genug, wir sind dessen gewiß, daß eine Uroffen-

1

Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, Leipzig 1857, S. 206, Zeile 15.

23 Spann, Religionsphilosophie