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eine Probe davon Gerhard Stammlers sorgfältigem Werke „Deutsche
Logikarbeit seit Hegels Tod“: „... der Mord, die Sklaverei... (ist)
ein unendliches, ein widersinniges Urteil, indem in einem solchen
Verbrechen das Urteil enthalten ist: ,Die Person ist eine Sache', ge-
rade wie es z. B. in der subjektiven Logik widersinnig ist zu sagen:
,Malvolios Nase ist ein Peitschenstiel'. Der fallende Stein ist ein
singulares Urteil, in welchem er selbst das Subjekt (E, der Einzelne),
die Erde (A, das Allgemeine) das Prädikat, und die Bewegung nach
dem Galileischen Gesetze die logische Copula ist, ohne daß der Stein
diesen in ihm vorhandenen Gedanken denke; nur die spekulative
Logik denkt im Naturphilosophen diesen Gedanken, der das Sein
ist.“
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Obgleich eine solche Anwendung der Logik auf die Natur mehr
Berechtigung hat als der materialistische / Zeitgeist von heute zu-
geben kann und als Versuch sogar Bewunderung verdient, ist sie
doch in dieser Form unannehmbar. Das beweist aber keineswegs die
Unannehmbarkeit des Grundgedankens der Einerleiheit von Den-
ken und Sein überhaupt, vielmehr nur das Unvermögen der dialek-
tischen Ableitung.
Anders daher, wenn die Eingebung an die Stelle der Dialektik
tritt. Die Eingebung bringt den intelligiblen Grund, den Denkgehalt
der Sache ans Licht. Und das Denken e n t f a l t e t ihn als be-
stimmten Begriff. Während in der hegelischen Logik der Beweis, daß
ein Begriff A, z. B. der Gesellschaft, dem Gegenstande A’, z. B. einer
geschichtlich wirklichen, staatlichen Gesellschaft, nicht nur abbildlich
entspreche, sondern tatsächlich die Bewußtheit des in ihm wirkenden
Gegenstandes sei, unmöglich erbracht werden kann, da ein gültiges
Begriffsmittel hiefür fehlt, ist im Begriffe und in der Wirklichkeit
der Eingebung dieser Beweis erbracht.
Denn in der Eingebung wird der Geist durch Rückverbundenheit
der intelligiblen Wirklichkeit der Sache teilhaftig, genauer gesagt: die
ideenhafte Wirklichkeit der Sache t r i t t i m G e i s t e d e s D e n -
k e n d e n h e r v o r , wird in ihm e r w e c k t und durch V e r -
g e g e n s t ä n d l i c h u n g festgehalten. Und da sich auch die Sin-
nesempfindung als Rückverbindungserscheinung erwies, steht auch
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Gerhard Stammler: Deutsche Logikarbeit seit Hegels Tod, Berlin 1936,
S. 103 f.