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der Inhalt eines Begriffes, um so größer der Umfang, und je größer

der Umfang, um so kleiner der Inhalt. Noch mathematischer und

naturwissenschaftlicher ausgedrückt: Der U m f a n g e i n e s B e -

g r i f f e s i s t u m g e k e h r t p r o p o r t i o n a l d e r A n z a h l

d e r M e r k m a l e o d e r d e m I n h a l t e d e s B e g r i f f e s .

Daß dies wegen der Mitgedachtheit aller Merkmale, der besonderen

im Allgemeinbegriffe und der allgemeinen im Sonderbegriffe, nicht

stimmt, liegt am Tage und wurde schon bemerkt

1

. / Überdies: da die

Mitgedachtheit der Merkmale je nach der Gliedstellung, in der der

Begriff erscheint, wechselt, also jedesmal andere Merkmale in

Schwebe gesetzt, andere aktuiert werden — gibt es gar keine feste

Anzahl von Merkmalen. Wird z. B. der Mensch als Staatsbürger,

Denker, Künstler gefaßt, so treten jedesmal andere Merkmale her-

vor, andere als bloß mitgedachte zurück. Schon das W e c h s e l n d e

des Bestandes an Merkmalen macht daher alle mengenhaften Ge-

setze zuschanden.

Das „Gesetz“ von Inhalt und Umfang wurde wiederholt angefochten, unter

anderen von Lotze und Trendelenburg. Trotzdem hielt es sich hartnäckig. Der

Herbartianer D r o b i s c h verbesserte es sogar dahin, daß die Größe des Um-

fangs nach einer geometrischen Reihe zu- oder abnehme, während die Größe

des Inhalts nach einer arithmetischen Reihe ab- oder zunehme

12

!

Erst wenn man einsehen wird, daß die Z a h l im logischen Denken über-

haupt keinen Platz habe, demgemäß der Begriff des „Umfanges“ nicht stilecht

sei, wird dieser Spuk ein Ende nehmen.

Z u s a t z ü b e r d e n E i n z e 1 b e g r i f f

Eine letzte Zuflucht scheint diese Ansicht in dem Satze zu finden, der letzte

Einzel- oder Individualbegriff, z. B. Cäsar, Goethe, habe zwar einen Inhalt,

aber keinen Umfang, denn unter ihn fallen keine Arten mehr. Wie steht es in

Wahrheit mit diesem Beweisgrunde? Hinsichtlich der Merkmale bleibt es bei

dem, was wir oben sahen: Die letzten Glieder (Individuen) haben alle Merkmale

der höheren Stufen in sich, die höheren Stufen alle der niederen, auch der letz-

ten Glieder der Möglichkeit nach, das ist in Schwebe gesetzt. Der Inhalt der letz-

ten Glieder ist in diesem Sinne weder reicher noch ärmer als der der höheren.

Aber faßt der Begriff des letzten Gliedes nur das eine Individuum in sich? Auch

das kann man nur als ungenaue, auf oberflächlichem Augenscheine be- / ruhende

Ansicht gelten lassen. Die ganzheitliche Kategorienlehre lehrt, daß es nichts Letz-

tes, Allerletztes gebe. Die Sätze „Nichts ist nur Umkreis (Letztes, letztes Glied),

nichts ist nur Mitte“

3

geben darüber Bescheid. Cäsar und Goethe befassen in

1

Siehe oben S. 57.

2

Friedrich Überweg: System der Logik (1857), 5. Aufl., Bonn 1882, S. 105 f.

8

Vgl. mein Buch: Kategorienlehre, 3. Aufl., Graz 1969, S. 243 und 245 ff.

[= Othmar Spann Gesamtausgabe, Bd 9].

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