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w i r k l i c h i n B e t r a c h t k o mm e n . Die Selbsttäuschung, a 1 - 1 e s
vollständig zu lesen, soll man weder sich selbst noch anderen gegenüber
aufrechterhalten. Dies ist weder technisch möglich, noch auch, bei der
entsetzlichen Anzahl wertloser Schriften, der man überall begegnet,
vernünftig. Man kann aber seiner Sache Meister werden, indem man das
Wertvolle vollständig liest und womöglich durch Auszüge sich gründlich
aneignet, dasjenige dagegen, was man als wertlos erkannte, nur in den
entscheidenden Teilen durchsieht und auf diese Weise so behandelt, wie
es ihm gebührt. Dies ist der wahrhaft fruchtbare Haushalt des Lesens, die
einzig erfolgreiche Art des Studiums.
Ein wichtiger Behelf für die Geburt und Klärung der eigenen
Gedanken ist endlich die A u s s p r a c h e m i t a n d e r e n M e n -
s c h e n . Man trage seine Gedanken nicht still mit sich herum (dies soll
man nur, solange man noch mit sich selbst am Anfang und nicht im Reinen
ist); sondern man suche Gelegenheit, sich mit anderen, / am besten
natürlich mit fachkundigen Leuten, zu besprechen. Aber selbst die
Aussprache mit Nichtfachkundigen, und wenn es ein ganz ungelehrter
Mensch wäre, ist fruchtbar, indem wir dabei Formulierungen finden, die
wir vorher nicht fanden, indem wir unsere Gedanken planmäßig ordnen
müssen, indem wir Einwendungen, Mißverständnissen entgegentreten
und unserer eigenen Lücken dadurch inne werden. „Durch Lehren lernt
man“, sagt schon das Sprichwort. Freilich ist den Einwendungen jener, die
dem Stoffe nicht gewachsen sind, nur die ihnen gebührende Bedeutung
beizumessen. Man darf sich durch Unsinn nicht aus dem Gleichgewicht
bringen lassen und muß sich vielmehr an die Menschen jener
Gemeinschaft halten, für die wir eben schreiben. In einer volkstümlichen
Schrift wird die Berücksichtigung der alltäglichen Bedenken des
Nichtkenners am Platze sein, die in einer für Fachkreise bestimmten
unangebracht wäre.
II.
Vom inneren Wege der geistigen Arbeit
A.
A n s c h a u l i c h e B e o b a c h t u n g
( V o r s t e l l u n g d e s O r t e s )
Geht man an einen bestimmten Gegenstand heran, sei es nun die
Papiergeldvermehrung oder die Börse oder eine Lohnbewegung, so schaffe
man sich eine gründliche Kenntnis der äußeren Umstände, welche den
Gegenstand begleiten, eine sinnliche Anschauung von