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allem, was äußerlich, gleichsam durch das Auge des Malers, des Bild-
hauers, des Technikers, des Zuschauers dabei zu holen ist — mit einem
Worte, das, was man in den geistlichen Exerzitien die „Vorstellung des
Ortes“ nennt (z. B. der „örtlichen Umstände bei der Kreuzigung Christi“).
Man betrachte, wie die Menschen, welche die Lohnbewegung machen,
aussehen, welches Bild die Streikversammlung bietet, oder die Sitzungen
der Führer, die Verhandlungen mit den Unternehmern; wie die
Arbeitsräume, wie die Techniken des Arbeitsvorganges beschaffen sind,
wie die Erzeugnisse jener Arbeiter aussehen und was sonst bildhafter
Vorstellung zugänglich ist. Wer Weizen nicht von Roggen unterscheiden
kann, soll nicht über Landwirtschaft schreiben.
B.
Die V o r s t e l l u n g d e s i n n e r e n G e h a l t e s
Vom äußeren, gleichsam durch einen Maler zu erfassenden Bilde ist
jetzt nur ein Schritt zu dem inneren Bilde der Dinge: Wie jedes Gesicht
eine Seele ausdrückt, jedes Wort einen Sinn, / so drückt auch das Gesicht
der Arbeitsräume, der Arbeitsvorgänge, der Arbeiter und der
Streikversammlung eine Lebensweise, eine Gesinnungsrichtung, ein
Schicksal aus. Man trachte daher, ohne zunächst an Volkswirtschaftslehre
zu denken, von dem äußeren Bilde in das Innere vorzudringen, und
versuche, gleichsam ein Schauspiel des Lohnaufruhrs sich zurechtzulegen.
Wer die geniale Erzählung von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann „ D e s
V e t t e r s E c k f e n s t e r “ kennt und den Blick in die Werkstätte des
Erzählers, den uns der Meister damit tun läßt, auf rechte Weise getan hat,
wird ganz verstehen, was ich meine.
Die „Vorstellung des inneren Gehaltes“ ist in erster Reihe eine
Vorstellung des sittlichen Gehaltes. Jede wirtschaftliche Erscheinung ist
ihrem Wesen nach „Mittel für Ziele“. Alle Ziele oder „Bedürfnisse“, mit
denen der betreffende Gegenstand unmittelbar oder mittelbar
zusammenhängt, suche man sich hier klarzumachen. Bei der
Lohnbewegung liegt es nahe, danach zu fragen, wie die Arbeiter ihren
Lohnzuwachs verwenden werden; bei einem Gegenstande wie der
Papiergeldvermehrung muß man untersuchen, wie sie zuletzt auf den
Verbrauch, auf die Erreichung der Ziele wirkt. Die bisherige „Theorie der
Inflation“, wie sie sich im besten Welsch so stolz nennt, hat hiernach
niemals gefragt und dadurch die falsche, mechanische „Quantitätstheorie“
erzeugt. Dringt man aber nach der