Table of Contents Table of Contents
Previous Page  7522 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 7522 / 9133 Next Page
Page Background

112

[155/156/157]

Im besondern muß noch die Meinung, der Begriff des S e i n s

sei der allgemeinste und müsse an der Spitze der Pyramide stehen,

berichtigt werden. Die Ansicht, wenn von allen Bestimmungen in

den Begriffen abgesehen werde, bleibe nur das Sein als die allge-

meinste übrig, ist schon darum falsch, weil es viele Begriffe gibt, de-

ren Gegenstand das Sein gar nicht zukommt, z. B. „Flügelpferd“.

(Weshalb wohl Kant, Fichte, Hegel das Sein als Kategorie neben an-

deren Kategorien behandelten.) Außerdem steht es so, daß auch bei

den anderen Begriffen, z. B. Haus oder Mensch, nach / Weglassung

der einzelnen Merkmale keineswegs das Sein übrig bleibt, sondern

— nichts! Die alte aristotelische, auch von Kant und Schelling ge-

teilte Meinung, daß zum Was das Daß, zu den Eigenschaften noch

erst das Sein „hinzukommen“ müsse, ist unhaltbar. Die Eigenschaf-

ten eines Dinges sind wesensgemäß nichts anderes als die Besonde-

rungen, die Tätigkeiten des Dinges, das ist seines Seins. Darum ist es

auch, nebenbei gesagt, grundsätzlich möglich, von einer richtigen

Begriffsbildung auf das S e i n eines Gegenstandes zu schließen —

wie das beim ontologischen Gottesbeweise so großartig hervortritt.

Aus dem Begriffe auf das Sein eines Dinges zu schließen, ist aber

namentlich in der Naturwissenschaft, besonders im Experiment, aber

auch in der Geschichtswissenschaft, allgemein gesagt, überall dort

üblich, wo man von einer Erscheinung auf ihren Grund, ihre Ur-

sache schließt oder von einem Grunde, einer Ursache auf die Folge,

die Wirkung — überall dort schließt man in Wahrheit von einem

B e g r i f f a u f e i n S e i n ! Zum Beispiel schließt man vom Be-

g r i f f e eines Rauches, den man sieht, auf Feuer, vom Begriffe

eines niederfallenden Körpers auf die Beschleunigung, vom Begriffe

des Menschen auf eine wirkliche Gemeinschaft und vieles andere

mehr. Insbesondere beruhen die Erfindungen darauf. — Endlich

verhält es sich mit dem Begriffe des Seins ebenso wie mit allen an-

deren Begriffen: Er erlangt je nach verschiedener Gliedhaftigkeit

einen verschiedenen Stufenwert und verschiedenen Allgemeinheits-

grad, wie das gerade das Beispiel „Flügelpferd“ erkennen läßt. Frei-

lich ist „Flügelpferd“ ein abgeleiteter Begriff, wäre aber „Sein“ wirk-

lich der „inhaltsleerste“, daher allgemeinste, dann könnte es auch

abgeleiteten Begriffen nicht fehlen.

Sollte es schon einen Begriff geben, welcher der oberste ist, dann

könnte nur im Stufenbau ein sol- / eher gedacht werden. Geht man