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Diese Vielfalt entspricht auch der gleichzeitig vielfachen Gliedhaf-
tigkeit aller Ganzheiten und Glieder, die ebenfalls die Aufgabe stellt,
stets mehreres in Schwebe zu setzen und nur das bestimmt Gefor-
derte ans Licht treten zu lassen.
Gemäß dem Grundsatze der Mitgedachtheit ist jeder Begriff nicht
nur durch die in seiner Erklärung angeführten Merkmale bestimmt,
sondern auch durch die in Schwebe gesetzten. Damit ist erklärt, war-
um ein und dieselbe Begriffsbestimmung in verschiedenen Lehrwei-
sen und Systemen, z. B. den individualistischen und universalisti-
schen in der Gesellschaftslehre, den empiristischen und idealistischen
in der Logikwissenschaft, „verschiedene Bedeutung“, wie man zu sa-
gen pflegt, haben kann. Es wird eben in allen solchen Fällen „vom
System Verschiedenes gefordert" — Verschiedenes mitgedacht!
Durch den Grundsatz der Mitgedachtheit wird aber noch ein an-
derer, in der Logik bisher wenig beachteter Begriff erst völlig er-
klärt, das c e t e r i s p a r i b u s . Die Physik erklärt z. B. den
freien Fall „ceteris paribus“, das ist alles andere gleichgesetzt. Der
Körper fällt, aber die chemischen Veränderungen, die er z. B. wäh- /
rend des Falles erleidet, werden vom Fallgesetze grundsätzlich nicht
berücksichtigt: Es w i r d n i c h t s m i t g e d a c h t , was nicht
unmittelbar in dem mathematisch formulierten Gesetze, das ist der
Definition, ausgedrückt ist.
Der Begriff „ceteris paribus“ ist nur ein Grenzbegriff des Den-
kens! Er unterstellt eine Loslösung, eine Verselbständigung der Er-
scheinungen, die überall wesenswidrig ist, sogar auf dem Gebiete der
anorganischen Natur, wo allerdings ihre Anwendung p r a k t i s c h
große Erfolge hatte. Praktisch kann also die Begriffsbildung den
Näherungswert des „ceteris paribus“ in den anorganischen Natur-
wissenschaften, also überall dort, wo es sich um Quantifizierung, um
Anwendung der Mathematik handelt, sehr wohl gebrauchen; nicht
aber auf geisteswissenschaftlichem Gebiete, z. B. in der Psychologie
und Gesellschaftslehre. In der Psychologie, ebenso in der Preis- und
und Wertlehre der Wirtschaftstheorie muß jedes ceteris paribus a l s
V e r s t o ß g e g e n d i e M i t g e d a c h t h e i t unbedingt zu
Fehlbegriffen führen. Die ganzheitlichen Zusammenhänge sind hier
zu lebendig, zu innig, die vielfachen Gliedhaftigkeiten zu wesentlich,