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I X . Das Wesen des Urteils

Wie man, um den Begriff zu erklären, auf das Wesen des Denkens

zurückgehen muß, so muß man auch, um das Urteil zu erklären, auf

das Wesen des Denkens zurückgehen.

Zunächst das Formelle. Als Bild des Urteils wird von jeher mit

Recht die Formel „S ist P“ gebraucht, wobei „S“ das Subjekt, „P“

das Prädikat und „ist“ die Kopula bedeutet. Zum Beispiel: Das Haus

(S) ist (Kopula) schön (P). S wie P können dabei beliebig näher be-

stimmt werden, z. B.: Das aus alter Zeit stammende Haus (S) ist

(Kopula) voller Zimmer (P) nach Süden zu und mit Büchern ange-

füllt.

Die herkömmliche Begriffserklärung des Urteils ist durchaus

äußerlich. Wenn sie das Urteil, wie das stets geschieht, als „Verbin-

dung“, „Verknüpfung“, „Beziehung“, „Synthese" von Vorstellungs-

inhalten oder Begriffen bestimmt, so bleibt sie an der Oberfläche.

Sie kann auch keineswegs erklären, warum das Denken gerade die

Form „S ist P“ annimmt.

Der Grund für diese im Äußerlichen steckenbleibende Begriffs-

bestimmung ist zuletzt — sei es bewußt oder unbewußt — wieder

die empiristische Auffassung des gesamten Seelenlebens, daher auch

des Denkens, von der die Moderne nun einmal nicht loskommen

will. Vom empiristischen Standpunkte aus ist es durchaus folgerich-

tig, zuerst Vorstellungen, Vorstellungs- / inhalte anzunehmen und

dann n a c h t r ä g l i c h diese miteinander zu „verbinden“, auf-

einander zu „beziehen“. In der G a n z h e i t u n d i m G e i -

s t e s l e b e n g i b t e s a b e r k e i n e v o r g e g e b e n e n

T e i l e , nichts, was n a c h t r ä g l i c h in „Verbindung“, „ B e -

z i e h u n g “ zueinander treten könnte.

Der B e g r i f f d e r B e z i e h u n g i s t g r u n d s ä t z l i c h

u n g ü l t i g . Er ist ungültig für alle wie immer gearteten Ganzhei-

ten, für alles Geistige im besonderen und auch für das Organische!

An die Stelle der „Beziehung“ tritt die Gliedhaftigkeit. Die Glied-

haftigkeit oder Befaßtheit der Glieder im Ganzen schließt aber in

sich: daß die Glieder u n m i t t e l b a r nur mit ihrem höheren

Zentrum verkehren; mit anderen Gliedern stehen sie nur m i t t e l -

b a r in Verkehr — über das Zentrum, über das Ganze! Das ergibt

die Kategorie der „Unberührbarkeit“, das ist der Beziehungslosig-