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und nachträgliche „Verbindung“, „Verknüpfung“, „Relation“ ersetzt! Die Teil-
gegenstände sind Glieder. Mit diesem Hinweise allein schon ist jede derartige,
im tiefsten Grunde atomistische Theorie widerlegt.
Anders die sogenannte I m m a n e n z t h e o r i e des Urteils, die unter an-
deren B e n n o E r d m a n n vertritt
1
, anders auch L o t z e
2
, sofern er die
„Identität“ des Prädikates mit dem Subjekte behauptet. Solcher Subtilitäten, die
im Grunde unfruchtbar sind, bedarf es nicht mehr, sobald man nur den Begriff
des Teilgegenstandes hat und diesen ganzheitlich versteht, das heißt in seiner all-
seitig verzweigten Gliedhaftigkeit.
/
X . Die überlieferte Einteilung der Urteile
A . D a r s t e l l u n g
Die empiristische Logik bildete eine vielfältige, zum Teil sogar
überkünstelte Einteilung der Urteile aus, deren Wert aber nicht ein-
zusehen ist (z. B. nach Wilhelm Wundt „erzählende“, „erklärende“
Urteile, Tätigkeits-, Eigenschaftsurteile usw.).
Besser steht es schon mit den Einteilungen der formalen Logik,
denen doch zugestanden werden muß, daß sie in der Lehre von den
Schlußfiguren wieder eine Bedeutung erlangten. Diese Einteilung er-
hielt durch Kant ihre letzte, klassisch gewordene Form, geht aber
zum Teil schon auf Aristoteles, zum Teil auf die Leibniz-Wolffische
Schule zurück. Selbst Hegel baute sie großenteils in seine, sonst so
verschiedene, Logik ein.
K a n t unterschied die Urteile: 1. nach ihrer Quantität als allge-
meine, partikuläre und individuelle (alle S sind P; einige S sind P;
dieses S ist P, Bismarck ist ein großer Mann);
2. nach ihrer Qualität als bejahende, verneinende, limitierende:
S ist P; S ist nicht P; S ist ein Nicht-P, Bernstein ist ein Nicht-Leiter
(der Elektrizität); die limitierenden heißen auch einschränkende oder
unendliche Urteile;
3. nach Modalität, das heißt nach der Kopula, in problematische,
assertorische, apodiktische: S kann P sein; S ist P; S muß P sein; /
4.
nach der Relation (welche die Beziehung zwischen Subjekt und
Prädikat außerhalb der Kopula sein soll) in kategorische, hypothe-
1
Benno Erdmann: Logik, 3. Aufl., Halle 1923, S. 340 f. und öfters. Trotzdem
ist Erdmann so empiristisch eingestellt, daß er — einen „Begriff“ nicht einmal
anerkennt und nur vom „Gegenstande“ spricht.
2
Hermann Lotze: Logik, 2. Aufl., Leipzig 1880, §§ 51, 54 f., 252 f.