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2. Ganzheitseigene und ganzheitsfremde Urteile
Die Urteile folgen den Begriffen. Daher können nur die im ganz-
heitlichen Bereiche verbleibenden Urteile als stufenbauliche und teil-
inhaltliche sowie stufenbaulich-teilinhaltliche unterschieden werden.
Jene aber, in denen das Prädikat dem Subjekt artfremd ist, können
diese Eigenschaften nicht haben. Sie müssen, wie die Begriffe, als
gemischte Urteile oder Urteile mit ganzheitsfremden Prädikaten
abgesondert werden und eine selbständige Gruppe bilden. Das Urteil
„Der Nordländer ist ausdauernd“ stellt, wie aus dem beim Begriffe
Dargelegten hervorgeht, ein reines, ganzheitseigenes Urteil dar, da-
gegen „Der Nordländer ist weiß“ ein ganzheitsfremdes, gemischtes.
Denn „weiß“ ist eine Natureigenschaff, welche in das Spektrum fällt.
Das philosophische und wissenschaftliche Rätsel, daß der Geist mit
dem Stoffe Verbindungen eingehe, wiederholt sich in der Begriffs-
und Urteilslehre noch einmal, indem Eigenschaften, die auf verschie-
denen Seinsebenen bestehen, in einem Begriffe und einem Urteile
vereinigt erscheinen.
In der Prädikationslehre werden wir den Denkaufgaben, die sich
hier ergeben, sogleich begegnen
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D.
Die U r t e i l s g e s t a l t e n
1. Das einteilende oder divisive Urteil als Vollurteil
Die formale Logik unterscheidet auch „zusammengesetzte“ Ur-
teile, und zwar das konjunktive oder verbindende, ferner das kopu-
lative, das divisive oder partitive, einteilende, und das disjunktive
oder auseinanderhaltende, endlich das hypothetische, das wir aber
hier beiseite lassen.
Das k o n j u n k t i v e Urteil soll deswegen ein zusammengesetztes sein, weil
es aus einer Mehrheit von Urteilen bestehe. Es hat die Form:
S ist sowohl P als P’ als P”...; der Mensch muß sowohl hoffen als auch
fürchten, als auch sorgen; zu den Jahreszeiten gehören sowohl Frühling als auch
Sommer, als auch Herbst, als auch Winter; die Säugetiere sind sowohl Huftiere
als Nagetiere, als ...
Das d i v i s i v e Urteil hat die Form:
S ist teils P, teils P’, teils P”...; Die Linien sind teils gerade, teils krumm;
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Siehe unten S. 149 ff.